Im Dickicht von Recht und Moral
18. Dezember 2014Dies ist die Geschichte des Sebastian Edathy. Noch vor einem Jahr ein Hoffnungsträger der SPD, Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses, ein anerkannter Politiker. Anfang des Jahres stürzt der 45-Jährige rapide ab. Über seinen Bundestags-Laptop soll Edathy kinderpornografische Bild- und Videodateien heruntergeladen haben - sieben Mal. Bewiesen ist das allerdings nicht. Belegt ist lediglich der einmalige Download von Fotos nackter Knaben. Allein das und der Verdacht, dass da noch mehr gewesen sein könnte, lösen einen Skandal aus. Der Fall wird gleich in mehrfacher Hinsicht zum Politikum. Ein Volksvertreter als Lustmolch gegenüber Minderjährigen - das ist ein moralisches Todesurteil. Zu Recht! Dass sich seine Internetaktivitäten im strafrechtlichen Grenzbereich abspielten, macht die Sache nicht leichter. Im Gegenteil: Es lädt zum Lavieren ein. Und so argumentiert Edathy auch: Er habe zwar etwas Falsches, aber nichts Gesetzwidriges getan. Eine absurde Verniedlichung.
Und dann ist da noch die politische Dimension: die Frage der Mitwisserschaft, der Weitergabe von Informationen, ja sogar des Geheimnisverrats. Das hat den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schon das Amt gekostet. Führende SPD-Politiker stehen im Verdacht, mit ihrem Wissen über Edathy taktiert zu haben. Ein politisches Schmierentheater.
Die Moral: Ab wann wird es zum Schämen?
Es spricht nicht für Edathy, dass er ein Jahr lang geleugnet und verharmlost hat, um sich nun erstmalig zu entschuldigen. Selektives Schuldbewusstsein nennt man das. Immer nur soviel zugeben, wie nötig. Jetzt, da die Fakten nicht mehr zu leugnen sind, räumt er ein, Menschen enttäuscht zu haben.
Und dennoch dehnt er in seinem Teilgeständnis die menschliche Fähigkeit des Verstehens und Verzeihens ins Unerträgliche. Dann nämlich, wenn er sich und sein Verhalten gegenüber Kindern im Netz mit juristischer Spitzfindigkeit als gesetzeskonform zurechtbiegt. Weiß er, unter welchen Bedingungen sich diese Kinder nackt im Internet zur Schau gestellt haben? Dieser Mann ist mehr über die Trümmer seiner Karriere entsetzt, als über sein virtuelles Vergehen an Kinderkörpern und -seelen.
Die strafrechtliche Dimension: Legal ist noch nicht rechtens
Genau deshalb ist seine Argumentationslinie, was die strafrechtliche Dimension des Falles betrifft, pikant. Legal sei der Download gewesen, sagt Edathy und bezieht sich dabei auf Bewertungen des Bundeskriminalamtes. Warum aber dann erst jetzt die lange erwartete Entschuldigung Edathys - nach nunmehr einem Jahr seit seinem Abtauchen? Edathy sucht in auswegloser Situation den Notausgang zwischen Moral und Recht - ein menschlich nachvollziehbarer Reflex, aber charakterlich verwerflich.
Ganz großes Politik-Theater: Ende noch offen
Irgendetwas falsch gemacht haben auch andere. Die SPD-Spitzen, der frühere Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich. Sie alle haben lange vor dem Bekanntwerden des "Falles Edathy" vieles gewusst und offensichtlich versucht, Edathy aus der Schusslinie zu nehmen. Nicht aus Nächstenliebe, sondern um Schaden von der Partei fernzuhalten.
Der Fall Edathy hat den Start der Großen Koalition vor knapp einem Jahr erheblich belastet. Obwohl mehrere Spitzengenossen bis heute im Verdacht stehen, geheimes Wissen der Behörden an Edathy und andere verbotenerweise weitergegeben zu haben, war es allein die Union, die mit Friedrich ein Bauernopfer bringen musste. Der Minister musste seinerzeit das Feld räumen. Die Konservativen machen bis heute gute Miene zum bösen Spiel und ballen die Fäuste in der Tasche. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.