Der Fall Edathy - Sprengstoff für die SPD
18. Dezember 2014"Edathy gehört in die Klapse" - so CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer im März diesen Jahres. Grund für Scheuers Ausbruch war ein Interview, das der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gegeben hatte. Edathy nahm darin Stellung zu den Vorwürfen, dass er kinderpornographisches Material besessen habe. Er räumte ein, Bilder von nackten Jugendlichen gekauft zu haben, bestritt aber, dass er auch kinderporngraphisches Material gekauft habe. Auch wehrte er sich gegen den Vorwurf, pädophil zu sein. Edathy verwies auf "die lange Geschichte, die die Zurschaustellung nackter Jungen in der Kunstgeschichte habe", zeigte sich angesichts der Vorwürfe keiner Schuld bewusst und betonte, "nichts Unrechtes" getan zu haben. Im Verlaufe der Affäre wurde immer klarer: Der 44-Jährige sieht sich als Opfer: gegenüber den Ermittlern, den Medien und auch seinen alten Weggefährten aus der Politik. Edathy wollte nicht tatenlos bleiben. Er keilte zurück: Zweimal klagte er gegen die Durchsuchung seiner Privatwohnung und die Beschlagnahme von Beweismaterial auf seinem Bundestagsrechner. Auch den Gang zum Verfassungsgericht nach Karlsruhe scheute er nicht. Wie bei seinen anderen Klagen scheiterte er jedoch auch dort.
Entwicklungen seit dem "Spiegel"-Interview
Seit dem "Spiegel"-Interview im März hat sich viel getan. Zum einen hat sich die Gesetzeslage in Deutschland geändert: Inzwischen ist es strafbar, Kinder und Jugendliche nackt abzulichten, um die Aufnahmen zu verkaufen oder zu tauschen. Ferner sollen Sexualstraftaten künftig später als bislang verjähren. Auch das sogenannte "Cyber-Grooming" soll umfangreicher geahndet werden. "Cyber-Grooming" meint Versuche eines Erwachsenen, unter falschen Angaben über das Internet Kontakt zu Kindern aufzunehmen, um sie zu sexuellen Handlungen zu bewegen. Für Edathy selber ist es eng geworden: Gab es anfangs noch viel Spekulationen und Diskussionen um juristische Grauzonen und Fehler bei den Ermittlungsbehörden, sind die Verdachtsmomente gegen ihn nun kaum noch wegzudiskutieren: Das Landgericht Verden hat nach monatelanger Prüfung die Anklage zugelassen. Der Prozess startet am 23. Februar. Gut sieht es dort nicht für ihn aus. Es sei "wahrscheinlich", dass Edathy nachgewiesen werden kann, wiederholt "jugendgefährdende" Abbildungen konsumiert zu haben, so die Meinung des Gerichts. Insgesamt sieben Mal soll Edathy zwischen November 2013 und Februar 2014 alleine über seinen Dienst-Laptop Kinderpornos heruntergeladen haben. Zudem wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, einen Bildband und eine CD mit "jugendpornografischem" Inhalt besessen zu haben.
Die politische Dimension der Affäre
Den Stein ins Rollen gebracht hatten Ermittlungen kanadischer Behörden gegen einen internationalen Kinderporno-Ring. Eine Firma stand dabei besonders im Fokus: Azov-Films. Wie die Staatsanwaltschaft später bekannt gab, hatte sich Edathy zwischen 2005 und 2010 mehrfach Filme und Fotos minderjähriger Jungen bei Azov-Films bestellt. Als die Kanadier ihre Ergebnisse an Interpol abgeben, schwappt der Fall über den Atlantik und Edathy gerät ins Fadenkreuz des BKA. Im Oktober 2013 wissen führende Stellen im BKA und im politischen Berlin von den Ermittlungen gegen die Nachwuchshoffnung aus der SPD. Der Druck, die Öffentlichkeit könne von den Ermittlungen Wind bekommen, wächst, und Anfang Februar tritt Sebastian Edathy "aus gesundheitlichen Gründen" von seinen Ämtern zurück. Wenige Tage später gibt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vor der Presse bekannt, dass der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich die SPD-Führung schon im Herbst von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt hatte. Eine Aussage mit Folgen: "Verletzung des Dienstgeheimnisses" wird Friedrich vorgeworfen, und der CSU-Politiker muss seinen Hut nehmen. Auf Kritik an seiner Entscheidung, Informationen weitergeleitet zu haben, reagiert er mit Unverständnis: Außer "Rechtspositivisten und Winkeladvokaten" hätten alle so gehandelt, so Friedrich später.
Die SPD im Kreuzfeuer
Auch Friedrichs Partei, die CSU, reagiert gereizt und wirft dem Koalitionspartner SPD "Geschwätzigkeit" vor. Für Thomas Oppermann und die gesamte SPD-Führung könnte ihr Verhalten nun zum Bumerang werden. Denn auch Edathy selbst erhebt schwere Vorwürfe gegenüber seinen ehemaligen Parteifreunden. Noch Wochen nachdem er von den Ermittlungen gegen ihn erfuhr, habe ihm Thomas Oppermann mehrere "hochrangige" Jobs in der neuen Regierung versprochen. Dazu hätten ein Posten als parlamentarischer Staatssekretär oder stellvertretender Fraktionsvorsitzender gehört. Um die Vorwürfe gegenüber seinen eigenen Parteikollegen zu belegen, hat er nun seinen gesamten SMS-Verkehr offengelegt. Diese liegen dem Magazin "Stern" vor. Besonders pikant: Eine SMS von Thomas Oppermann an Edathy vom 8. Februar. Darin bietet er Edathy seine Unterstützung an und sichert ihm zu, bei einem "Neuanfang" helfen zu können. Das alles zu einem Zeitpunkt, zu dem Edathy schon längst im Fadenkreuz der Ermittler stand. Die Opposition fordert nun, auch Oppermannm vor den Untersuchungsausschuss zu laden. Und für Andreas Scheuer ist der Fall sowieso klar: "Dieser Edathy-Skandal auch ein Skandal der SPD".