Plagiatsjäger leisten Detektivarbeit
2. Oktober 2015Nicht nur der Ruf deutscher Automacher ist in Gefahr - auch deutsche Politiker müssen sich Sorgen machen. Zieht man Bilanz aus der zunehmenden Zahl von Ministern, deren akademische Arbeiten in den letzten Jahren hinterfragt wurden, könnte man - frei nach Shakespeare - sagen: "Etwas ist faul im Staate" Deutschland.
Der erste Politiker, der derart für Schlagzeilen sorgte, war Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Eine Untersuchung fand heraus, dass Guttenberg ganze Passagen seiner Doktorarbeit abgeschrieben hatte. Er verlor seinen Doktortitel und trat von seinem Posten zurück.
Im selben Jahr geriet FDP-Frau Silvana Koch-Mehrin, ein vielversprechendes Mitglied des EU-Parlaments, in Verdacht, akademisch nicht ganz sauber gearbeitet zu haben. Letztendlich zog sich aus dem Amt zurück.
Auch die Doktorarbeit von Außenminister Frank-Walter Steinmeier wurde eingehend geprüft - er kam mit weißer Weste davon. Annette Schavan - eine enge Verbündete von Angela Merkel, hingegen wurde der Doktortitel entzogen und sie trat von ihrem Posten zurück - ironischerweise war es ausgerechnet die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Jetzt ist die nächste hochrangige Politikerin im Fokus der Plagiatsjäger: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Unbezahlte Nachtarbeit
Hauptverantwortlich für die Jagd nach Plagiaten ist ein Wiki, eine kollaborative Online-Gemeinschaft von Nutzern und Mitwirkenden, namens VroniPlag. Erschaffen hat es Martin Heidingsfelder, seitdem halten es viele Freiwillige am Leben, zu denen laut Webseite "Alte und Junge, Männer und Frauen, Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler aus allen möglichen Orten" zählen.
Eine Art Vorgänger war GuttenPlag - ein Wiki, das es sich zum Ziel gemacht hatte, den mutmaßlichen Diebstahl geistigen Eigentums in Guttenbergs Dissertation aufzudecken. VroniPlag bekam seinen Namen nach Veronica Saß, der Tochter des CSU-Politikers Edmund Stoibers - deren Doktorarbeit hatte VroniPlag als erstes unter die Lupe genommen.
Das Wiki steht und fällt mit der Initiative und der unbezahlten Arbeit einer Internet-Gemeinschaft; Spenden lehnt es ab. Ihre Motivation: Plagiate verhindern den Erkenntnisfortschritt in wissenschaftlichen Arbeiten, so steht es auf der Webseite.
Wie es funktioniert
Hinter VroniPlag steht hauptsächlich akribische Detektivarbeit. Die freiwilligen Mitarbeiter erbringen diese in ihrer Freizeit - meistens nachts, nach ihrer tagtäglichen Arbeit. Wenn jemand ein Plagiat findet, veröffentlicht die Community "Barcodes", die Umfang und Ausmaß visualisieren, in denen eine wissenschaftliche Arbeit oder ein Teil davon plagiiert ist.
Im Falle der im Jahr 1990 veröffentlichten Doktorarbeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besteht nach Angaben VroniPlags eine signifikante Zahl von Seiten aus gestohlenem Text - teilweise seien bis zu drei Viertel einer Seite betroffen. Von der Leyen streitet das ab.
Warum Computerprogramme nicht helfen
Es gab Versuche, die Plagiatsuche zu automatisieren. Aber eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin fand, dass lediglich 15 der 28 getesteten Programme überhaupt auf dem neuesten Stand der Technik waren und sich bis zu Ende testen ließen. Lediglich drei Programme befanden sie als "zum Teil brauchbar"; "blindes Vertrauen in automatisch generierte Plagiatsberichte ist unverantwortlich", lautete die Schlussfolgerung.
Eines der größten Probleme bei der Automatisierung solcher Plagiatssuchen: Viele der originären wissenschaftlichen Texte, die als Quelle zum Abschreiben gedient haben könnten, sind nicht frei im Internet verfügbar. Außerdem markieren viele Computerprogramme komplett unkritische Sätze als Plagiat - in Wahrheit handelt es sich aber lediglich um eine Standardredewendung, die viele Menschen benutzen.