Die CSU und der Minister-Fluch
15. Februar 2014"Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt." Hans-Peter Uhl bringt die Gemütslage der Christlich-Sozialen Union auf den Punkt. Der erfahrene Innenpolitiker, langjähriger Abgeordneter im Deutschen Bundestag, ist fassungslos. Sein Parteifreund und Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich musste erkennbar unwillig seinen Posten räumen, weil er im Oktober vergangenen Jahres SPD-Chef Sigmar Gabriel vertraulich über einen besonders unappetitlichen Verdacht informiert hatte: dass der Sozialdemokrat Sebastian Edathy auf einer Kunden-Liste für kinderpornografisches Material stehen soll.
Friedrich war damals, wenige Wochen nach der Bundestagswahl, geschäftsführend Innenminister. Die langwierigen Koalitionsverhandlungen zwischen den Unionsparteien CDU und CSU sowie der SPD hatten gerade begonnen. Dass Friedrich im guten Glauben handelte und sich auf die Verschwiegenheit des SPD-Vorsitzenden verließ, klingt durchaus plausibel. Er sei nach wie vor überzeugt davon, "politisch und rechtlich" korrekt gehandelt zu haben, betonte der Ex-Minister im Moment seines Rücktritts. Diese Behauptung brachte ihm außerhalb seiner Partei im günstigsten Fall Spott oder Mitleid ein.
Auch Hoffnungsträger zu Guttenberg musste zurücktreten
Manche Kommentatoren hingegen werfen Friedrich Dreistigkeit vor, und die Staatsanwaltschaft erwägt sogar wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen gegen den CSU-Politiker zu ermitteln. Ähnliche Erwägungen gegenüber SPD-Politikern scheint es (noch) nicht zu geben. Dabei waren neben SPD-Chef Gabriel auch der damalige Faktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier und dessen Nachfolger Thomas Oppermann schon im Herbst über den Fall Edathy im Bilde. Verständlich, dass CSU-Mann Uhl laut "Focus" nun eidesstattliche Erklärungen der SPD-Politiker darüber verlangt, wem sie ihr Wissen mitgeteilt haben.
Unabhängig vom weiteren Verlauf der Affäre muss sich die Regierungspartei CSU im Moment als die große Verliererin vorkommen - wieder einmal. Ein Blick auf die jüngere Kabinettsgeschichte zeigt nämlich, dass die bayrische Schwester der CDU oft Pech mit ihren Leuten hatte. Der nun wohl von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Rücktritt gedrängte Friedrich war vor knapp drei Jahren nur deshalb zum Innenminister befördert worden, weil der damalige CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg wegen seines unredlich erworbenen Doktortitels als Verteidigungsminister nicht länger tragbar war. Sein Rücktritt war für die CSU besonders schmerzhaft, weil dem smarten und weltgewandten zu Guttenberg auf dem Höhepunkt seiner Popularität sogar das Zeug zum Kanzler attestiert worden war.
In der seit zwei Monaten regierenden großen Koalition stellt die CSU wie zuvor im Büdnis mit den Liberalen drei Minister. Allerdings hat die Partei qualitativ an Gewicht verloren, denn sie leitet keines der sogenannten A-Ressorts. Der mehr oder weniger geschasste Friedrich gehörte in seiner Zeit als Innenminister zu dieser Kategorie. Sein Wechsel ins Landwirtschaftsministerium wirkte wie eine Degradierung, auch wenn er das persönlich anders empfunden haben mag. Friedrichs Vorgängerin und Parteifreundin Ilse Aigner zog es freiwillig in die bayrische Landespolitik.
Der Wirtschaftsminister, der sich überfordert fühlte
Sie war nicht die Erste in der CSU, die nach vergleichsweise kurzer Zeit genug hatte vom Berliner Politik-Betrieb. Auch der von 2005 bis 2009 als Bundeswirtschaftsminister amtierende Michael Glos hatte schnell die Nase voll. Er trat freiwillig zurück und räumte ein, von seiner Berufung in das Amt "überrumpelt" worden zu sein. Auf seine Aufgabe sei er nicht vorbereitet gewesen. Ein ähnliches Bild vermittelte anfangs Hans-Peter Friedrich, als er im März 2011 plötzlich und unerwartet Innenminister wurde.
Wer nun die vakante Stelle übernehmen soll, will CSU-Chef Horst Seehofer am kommenden Montag mitteilen. Im Moment gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich jemand um das Amt reißt. Kein Wunder bei einem Blick auf das Schicksal so vieler CSU-Minister allein in den vergangenen fünf Jahren. Zwar waren die Umstände der zahlreichen Rücktritte und Kabinettsumbildungen höchst unterschiedlich, aber irgendwie scheinen Bundesminister aus Bayern unter keinem günstigen Stern zu stehen. Woran das liegen könnte, darüber kann nur spekuliert werden. Horst Seehofer kündigte schon mal an: "Wir werden über die Art und Weise der Zusammenarbeit reden müssen". Am Dienstag tagt der Koalitionsausschuss in Berlin. Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel sollten sich auf einen angriffslustigen CSU-Chef einstellen.