50 Prozent Marozsan reichen nicht
29. Juni 2019Es war bei dieser WM bisher alles so gut gelaufen für Deutschlands beste Fußballerinnen. Die Mannschaft eilte von Sieg zu Sieg und zog ohne ein einziges Gegentor in dieses Viertelfinale ein. Und wie heißt es im Fußball so oft: Wenn es bei einem Turnier einmal läuft, dann läuft es. Da geriet es schon fast in Vergessenheit, dass sich mit Dzsenifer Marozsan die wohl beste Spielerin der DFB-Elf bereits im Auftaktspiel verletzt hatte und seither zum Zuschauen verdammt war.
Es rückten die jungen Spielerinnen im Team in den Fokus. Allen voran, die 19 Jahre alte Giulia Gwinn, die bei dieser WM in jeder Partie über die volle Distanz eingesetzt wurde und im Auftaktspiel gegen China den Siegtreffer erzielen konnte. Gwinn gehörte auch gegen Schweden zu den aktivsten Spielerinnen im deutschen Kader und konnte mit ihrer Unbekümmertheit im Spiel nach vorne immer wieder Akzente setzen. Zur jungen Generation gehört auch die 18-jährige Klara Bühl, die vor diesem Viertelfinale in drei der vier WM-Partien zum Einsatz kam.
"Spiel komplett verloren gegangen"
Doch auch das ist eine Fußball-Weisheit: Wie gut und gefestigt eine Mannschaft wirklich ist, zeigt sich erst, wenn es einmal nicht läuft. Bei Rückschlägen zum Beispiel, wie dem 1:1-Ausgleichstreffer der Schwedinnen Mitte der ersten Halbzeit. Für DFB-Torhüterin Almuth Schult eine Schlüsselszene: "Wir haben uns das anders vorgenommen, sind auch gut ins Spiel gestartet. Nach einem Ball, der zum Tor führt, ist unser Spiel komplett verloren gegangen. [...] Man lernt aus jeder Niederlage. Aber das ist nicht zu entschuldigen. Das ist einfach bitter."
Bezeichnend ist vielleicht auch der Wechsel des DFB-Teams gegen Schweden in der 69. Minute. Beim Spielstand von 1:2 aus deutscher Sicht brachte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg Lena Oberdorf ins Spiel, die mit 17 Jahren das Küken der DFB-Elf ist. Oberdorf machte ihre Sache ordentlich und hatte kurz vor Schluss sogar die Möglichkeit zum Ausgleich, als ihr Kopfball nur hauchdünn am Tor der Schweden vorbei ging.
Führungsspielerinnen fehlten
Dennoch war bei diesem Viertelfinale eines deutlich zu sehen: Es fehlten die Führungsspielerinnen in der deutschen Mannschaft. Oder wie es Voss-Tecklenburg ausdrückte: "Wir sind in einem Prozess, aber es ist noch nicht so gefestigt. In einigen Phasen haben uns die Konsequenz und der Mut gefehlt."
Oder anders gesagt: Der deutschen Mannschaft fehlte Dzsenifer Marozsan - und zwar eine Dzsenifer Marozsan, die über 90 Minuten auf dem Platz steht, fit ist - und die junge Elf führen kann. Doch dass Marozsan überhaupt im Kader stand und "spielbereit" auf der Bank Platz nehmen konnte, war schon eine kleine Überraschung. Die Bundestrainerin betonte stets, wie wichtig es sei, gute Einwechselspielerinnen zu haben, falls es nicht wie gewünscht laufe.
"Wir glauben, dass der Mehrwert größer ist, sie im Laufe des Spieles zu bringen", sagte Voss-Tecklenburg vor dem Spiel. Und so kam es dann auch: Der Halbzeitstand von 1:1 veranlasste die Bundestrainern dazu, Marozsan zu bringen. Doch die Einwechslung brachte nicht die gewünschte Wende: Von Marozsan war lange Zeit nichts zu sehen - erst am Ende konnte sie mit zwei guten Flanken auf sich aufmerksam machen. Zu wenig, um die junge Mannschaft in die Spur zu bringen. Und zu wenig, um das WM-Aus doch noch zu verhindern.