USA erheben Anklage gegen Modi-Verbündeten Gautam Adani
23. November 2024Der indische Milliardär und Unternehmer Gautam Adani muss sich vor der US-amerikanischen Justiz verantworten. Der Vorsitzende der Unternehmensgruppe Adani Group wird beschuldigt, mehr als 250 Millionen US-Dollar (238 Millionen Euro) an Schmiergeldern bezahlt zu haben, um an Aufträge im indischen Energiesektor zu kommen.
Laut der Anklage der US-Bundestaatsanwalt für den östlichen Distrikt von New York wurden indischen Regierungsangestellten Schmiergeldzahlungen angeboten, um dem Unternehmen "lukrative Lieferverträge im Bereich Solarenergie" mit staatlichen Stromversorgungsunternehmen zu sichern. "Den Angeklagten wird vorgeworfen, ein ausgeklügeltes Programm zur Bestechung indischer Regierungsbeamter ausgearbeitet zu haben, um sich Verträge im Wert von Milliarden US-Dollar zu sichern", teilte Breon Peace, US-Staatsanwalt für New York, in einer Stellungnahme mit.
"Null Toleranz" gegen Korruption?
Ihre Zuständigkeit für den Fall begründen die US-Strafverfolger mit einem mutmaßlichen Betrug an US-Investoren, bei denen Adani Kapital eingesammelt habe. Sie hätten nichts von den vorgeworfenen Schmiergeldzahlungen gewusst und seien deshalb getäuscht worden. Die New Yorker Staatsanwaltschaft verweist auf die Geschäftsberichte der Adani-Group, in denen eine "Null Toleranz-Politik" gegenüber Korruption beschrieben wird.
Die Unternehmensgruppe stand bereits wegen Börsenmanipulation in der Kritik. Entsprechende Vorwürfe hatte im Januar 2023 Hindenburg Research erhoben. Das US-amerikanische Investment-Unternehmen veröffentlichte damals einen Bericht, in dem Vorwürfe des Bilanzbetrugs und der Marktmanipulation durch die Adani Group aufgelistet worden waren. In Folge des Berichts verloren die börsennotierten Unternehmen der Adani-Gruppe dramatisch an Marktwert. Dem riesigen Industriekonzern werden enge Beziehungen zur indischen Regierungspartei Bharatiya Janata Party (BJP) und Premierminister Narendra Modi nachgesagt.
Indiens Opposition kritisiert Modi
Indische Abgeordnete fordern eine Untersuchung der Finanzgeschäfte von Adani sowie der Auswirkungen von Projekten der Gruppe auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung Indiens.
Rahul Ghandi, Vorsitzender der oppositionellen Kongresspartei, warf der Regierung Modi vor, Adani vor Ermittlungen und Verhaftungen zu schützen. "Wir haben das Thema immer wieder zur Sprache gebracht", sagte Ghandi auf einer Pressekonferenz, bei der er seine Forderung nach einer Untersuchung der Aktivitäten der Adani Group durch einen Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschuss wiederholte.
"Es bestätigt, was wir immer gesagt haben. Der indische Premierminister schützt Adani und ist gemeinsam mit Adani in Korruption verwickelt. Das wird hier deutlich", sagte der Oppositionspolitiker. "In den USA ist es jetzt ziemlich klar und erwiesen, dass Adani sowohl US-amerikanisches als auch indisches Recht gebrochen hat. In den USA wurde gegen ihn Anklage erhoben, und ich frage mich, warum Adani in diesem Land immer noch frei herumläuft."
Welche Verbindungen bestehen zur Regierung?
Zudem forderte Gandhi eine Überprüfung von Madhabi Puri Buch, der Leiterin der indischen Börsenaufsichtsbehörde "Securities and Exchange Board of India" (SEBI). "Adani sollte umgehend verhaftet und die Rolle seiner 'Beschützerin' Buch sollte untersucht werden", sagte er.
Die indische Oppositionsabgeordnete Sagarika Ghose betont gegenüber der DW, die Regierung müsse auf die wiederholten Forderungen nach einer formellen Untersuchung des Verdachts der Börsenmanipulation und Bestechung reagieren. "Es ist kein Geheimnis, dass die Regierung Modi aktiv die Adani Group auf Kosten anderer Unternehmensgruppen fördert. Wir stehen hinter der indischen Unternehmerschaft, unterscheiden aber klar zwischen Wirtschaftsförderung und Vetternwirtschaft", erklärte sie, und fragt: "Wird Narendra Modi jetzt, da die USA seinen Lieblingsunternehmer anklagen, sein Schweigen brechen?"
Die kommunistische Partei Indiens (Communist Party of India) erklärte in einer Stellungnahme, die Regierung Modi könne sich nicht länger hinter einer Nebelwand verstecken. Sie forderte eine Untersuchung der von den USA erhobenen Bestechungsvorwürfe gegen Adani durch das Central Bureau of Investigation, Indiens zentraler Untersuchungsbehörde.
Börsenkurse brechen ein
Die Adani Group weist die Vorwürfe gegen ihren Vorsitzenden Gautam Adani zurück. "Die Anschuldigungen des US-Justizministeriums und der Börsenaufsichtsbehörde SEC gegen den Vorsitzenden von Adani Green entbehren jeder Grundlage und werden zurückgewiesen", schreibt die Unternehmensgruppe in einer Erklärung. "Alle verfügbaren Rechtsmittel" würden ausgeschöpft.
Viele Investoren reagieren jedoch bereits auf den Bericht und verkaufen ihre Anteile an der Adani Group. Die Auswirkungen der Vorwürfe sind in der gesamten Unternehmensgruppe zu spüren. Die Aktien der börsennotierten Unternehmen der Gruppe verloren zwischen zehn und 20 Prozent an Wert. Knapp 30 Millionen US-Dollar oder 28,5 Millionen Euro des Marktwerts wurden damit laut Daten der Nachrichtenagentur Reuters vernichtet.
Als Hindenburg Research im Januar 2023 seinen Bericht veröffentlichte, fiel der Marktwert von Adani um mehr als 100 Milliarden US-Dollar (95 Milliarden Euro). Die Gruppe sagte daraufhin einen geplanten Börsengang in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar (2,4 Milliarden Euro) ab.
Sieben in Indien börsennotierte Unternehmen führen "Adani" in ihrem Namen. Dazu gehören Firmen in den Bereichen Energietechnik, grüne Energie und dem Betrieb von Häfen. Zur Gruppe zählen außerdem Zementhersteller, Flughafenbetreiber, Kohleminen und eine Digital-Marketing-Agentur.
Die Finanzierung der Adani Group über die LIC und die State Bank of India, der größten Bank Indiens, lässt Bedenken lautwerden hinsichtlich möglicher Folgen für die finanzielle Stabilität der Institutionen und für die Ersparnisse von Millionen indischen Bürgern. Die LIC, einer Versicherungsgruppe und Investmentgesellschaft, die sich mehrheitlich im Besitz der indischen Regierung befindet, hält Beteiligungen in Höhe von einem bis neun Prozent an fünf Unternehmen der Adani Group.
"Die Menschen dachten, ihr Geld sei bei Banken und Institutionen des öffentlichen Sektors sicher untergebracht", sagt Ram Gopal Yadav, Abgeordneter der sozialistischen Partei Samajwadi Party.
Kann Modi dem Sturm standhalten?
Indiens Regierungspartei BJP spielt das Thema herunter und verweist darauf, dass die Anklage in den USA keine Beweise enthielte. "Bei den in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfen handelt es sich um Anschuldigungen. Bis zum Beweis ihrer Schuld gilt für Angeklagte jedoch die Unschuldsvermutung", betonte Amit Malviya, der die Abteilung Soziale Medien der BJP leitet, auf der Plattform X. "In sämtlichen Staaten, die hier erwähnt werden, war zu diesem Zeitpunkt die Opposition an der Macht. Bevor Sie hier also Vorhaltungen machen, sollten Sie Antworten geben zu den Schmiergeldern, die die Kongresspartei und ihre Verbündeten angenommen haben."
Modi wird von vielen als enger Verbündeter Adanis betrachtet, dessen Geschäftsinteressen häufig mit den Wachstumszielen der Regierung übereinstimmen. Bereits in der Vergangenheit musste sich die Regierung Modi Fragen über ihre Verbindungen zu großen Unternehmen gefallen lassen. Die Anklage könnte die Sorgen der Öffentlichkeit über Korruption und Staatsführung lauter werden lassen.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.