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Syrische Flüchtlinge in Not

Kersten Knipp9. Dezember 2014

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen vermeldet einen kleinen Erfolg beim Spendenaufkommen. Aber das reicht nicht. Vor allem die Binnenflüchtlinge in Syrien brauchen dringend internationale Hilfe.

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Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien
Bild: DW/J. Hahn

Der Appell, den die Vereinten Nationen (UN) am Montag (09.12.2014) an die Weltgemeinschaft richteten, war dramatisch. Gut fünf Milliarden Euro brauchen sie im kommenden Jahr, um in den Krisengebieten weltweit Hilfe leisten zu können. Das ist die höchste Summe, die die Weltorganisation jemals angegeben hat. Über 57 Millionen Menschen, erklärte sie, seien auf Hilfe dringend angewiesen. Bereits zuvor hatten sie an die Staaten appelliert, die Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) zu unterstützen. Am Dienstag (9.12.) erklärte dieses nun, es habe inzwischen neue Zusagen von über 500 Millionen Euro erhalten.

Das wäre aber nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer Vollfinanzierung für das Jahr 2015. Denn insgesamt verfügt das Flüchtlingswerk für das kommende Jahr erst über 2,5 Milliarden Euro – also etwas weniger als die Hälfte des angemeldeten Bedarfs. Das reiche zwar nicht, um auf alle Notlagen zu reagieren, sichere aber eine kontinuierliche Fortsetzung der Hilfe, teilte die Organisation anlässlich einer Geberkonferenz am Dienstag in Genf mit.

Erheblich gestiegene Flüchtlingszahlen

Hintergrund des höheren Finanzbedarfs sind die weltweit dramatisch gestiegenen Flüchtlingszahlen. "Die Hilfsbedürftigkeit hat einen beispiellosen Umfang angenommen", erklärt UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres zu Beginn dieser Woche. "Ohne eine Aufstockung der Mittel ist es schlicht unmöglich, allen Krisen angemessen zu begegnen." Zugleich verlangte Guterres mehr Unterstützung für Länder, die Flüchtlinge aufnehmen. Derzeit sind die UN in zahlreichen Ländern aktiv. So helfen sie aktuell den Menschen in Afghanistan, in der Demokratischen Republik Kongo, in Myanmar, in den Palästinensergebieten, im Jemen, in Somalia und in der Ukraine. Der Großteil der Mittel fließt allerdings in drei Staaten: Süd-Sudan, Irak und Syrien. Zusammen beanspruchen diese drei mehr als 70 Prozent der verfügbaren Finanzmittel.

Syrische Flüchtlinge aus Kobane in einem Flüchtlingslager in der Türkei, 28.10.2014 (Foto: Getty Images)
Syrische Flüchtlinge in einem Lager in der TürkeiBild: Getty Images/K. Cucel

Besonders dramatisch ist die Lage weiterhin in Syrien. Dort steigt die Zahl der Flüchtlinge nahezu täglich. Im September hatten die UN über 3,2 Millionen Flüchtlinge registriert. Insgesamt versuchen 6,7 Millionen Syrer der Gewalt in ihrer Heimat zu entkommen.

Ungesicherte Finanzierung

Die deutsche Hilfsorganisation "Help" ist derzeit vor allem in Jordanien tätig. Dort halten sich derzeit knapp 620.000 syrische Flüchtlinge auf. Die meisten lebten in Flüchtlingslagern, sagt Berthold Engelmann, der für "Help" die Länderhilfe koordiniert. Noch stehe die Versorgung. "Aber allmählich wird es schwierig. Der Winter steht vor der Tür. Und dazu gehen die Versorgungsgüter aus, weil die Finanzierung nicht gesichert ist".

Infografik Flüchtlingsströme aus Syrien in die Nachbarländer Deutsch (Grafik: DW)
Flüchtlingsströme aus Syrien in die Nachbarländer

Besonders dramatisch ist die Lage der Kinder. Gut 40 Prozent der Flüchtlinge sind jünger als elf Jahre. Ihnen gilt die besondere Aufmerksamkeit von "Help".

"Viele Kinder in den Lagern kennen nichts anderes als Krieg", sagt Engelmann. Das spiegele sich auch in ihren Spielen. "Oft stellen sie Kriegsszenen nach, die sie erlebt haben." Aber auch die Erwachsenen hätten oft Schlimmes erlebt. "Viele sind traumatisiert, weil sie alles verloren haben." Einige oder sämtliche ihrer Angehörigen seien ums Leben gekommen. Hinzu komme, dass keinerlei Hoffnung auf ein baldiges Ende der Gewalt bestehe. "So haben die Menschen auch keine Perspektive, die ihrem Leben neuen Sinn geben könnte." Darum arbeite "Help" derzeit daran, in Kooperation mit dem jordanischen Gesundheitsministerium ein System zur psychosozialen Versorgung der Flüchtlinge aufzubauen.

Dramatische Lage der Binnenflüchtlinge

Noch mehr Probleme bereitet es "Help", die syrischen Binnenflüchtlinge zu versorgen – also jene Syrer, die innerhalb ihres Landes auf der Flucht sind. Zwar seien Hilfsgüter vorhanden, sagt Berthold Engelmann. Aber es sei sehr schwierig, diese zu verteilen. Denn in dem Kriegsgebiet wechselten die Fronten sehr häufig. Das hindere seine Organisation daran, die Bedürftigen überhaupt zu erreichen.

Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei, 23.10.2014 (Foto: Julia Hahn)
Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen Syrien und der TürkeiBild: DW/J.Hahn

Als besondere Herausforderung bezeichnen die UN derzeit den Wassermangel in der Region. Dadurch könnten weniger Nahrungsmittel produziert werden, was die Preise steigen lasse. Hinzu kommt, dass ein Drittel der Flüchtlinge Symptome leichter Unterernährung aufwweisen. Ein weiteres Fünftel habe über längere Zeit nur das Allernötigste zu sich nehmen können.

Wie viele weitere Syrer ihre Heimat verlassen werden, ist derzeit noch unbekannt. Das UNHCR hat bislang noch keine Zahlen veröffentlicht. Seit drei Jahren ist ihre Zahl aber konstant gestiegen. Auch ihnen werden die UN helfen müssen. Doch dazu fehlt ihnen immer noch die Hälfte der benötigten Gelder.