"Wir vergessen die Flüchtlinge nicht"
28. Oktober 2014Mit einer gemeinsamen Erklärung ist die internationale Syrien-Flüchtlingskonferenz in Berlin zu Ende gegangen. Darin bekennen sich die Teilnehmer des Treffens zu einer politischen Lösung für den Konflikt in Syrien.
"Von Berlin geht heute die Botschaft aus: Die Weltgemeinschaft lässt die Flüchtlinge aus Syrien nicht allein", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Abschluss der Konferenz. Die Nachbarländer, allen voran der Libanon und Syrien, hätten die Flüchtlinge mit bewundernswerter Gastfreundschaft aufgenommen. Aber die Belastung bedrohe diese ohnehin fragilen Staaten. Darum bräuchten sie mehr Unterstützung. Deutschland werde für die nächsten drei Jahre 500 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Seit Beginn der Krise habe man bereits mit 650 Millionen Euro geholfen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ergänzte, sein Haus werde noch in diesem Jahr 140 Millionen Euro bereitstellen, um Jordanien und dem Libanon bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge im bevorstehenden Winter zu helfen. Außerdem werde Deutschland in den nächsten Wochen eines von 18 fehlenden Flüchtlingslagern im Nordirak aufbauen. "Wir vergessen die Menschen nicht, die hinter der Front einem harten Winter entgegen sehen", sagte Müller. "Keiner darf in diesem Winter an Hunger, an Elend, an Not sterben."
Ermüdung der Aufnahmeländer
Besonders belastet sind die unmittelbaren Nachbarländer Syriens. Sie haben seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor fast vier Jahren schon Millionen von Flüchtlingen aufgenommen. Der jordanische Außenminister Nasser Judeh wies in Berlin darauf hin, dass die Bevölkerung des haschemitischen Königreichs durch den Zustrom von anderthalb Millionen Flüchtlingen und Arbeitsmigranten um 25 Prozent zugenommen habe. Dies habe enorme Auswirkungen auf die Dienstleistungen und die ohnehin knappen Ressourcen des Wüstenstaates.
Vor allem die Wasserversorgung sei gefährdet. Die Schulen im Norden Jordaniens müssten 140.000 zusätzliche Schüler aufnehmen. Die Zahl der Patienten, die in staatlichen Krankenhäusern behandelt würden, sei sogar um 250 Prozent gestiegen, die Zahl der Operationen um 600 Prozent. Dies mache deutlich, dass sein Land am Rand seiner Belastbarkeit angekommen sei. "Die Aufnahmeländer sind ermüdet", sagte Judeh. Wenn die internationale Gemeinschaft wolle, dass Jordanien die Lasten weiter schultere, müsse sie sein Land dabei unterstützen.
Libanon will Flüchtlinge zurückschicken
Auch der Libanon sieht sich durch den Zustrom der Flüchtlinge in seiner Stabilität bedroht. Gemessen an seiner Einwohnerzahl von viereinhalb Millionen habe das Land die höchste Zahl von Flüchtlingen in der Geschichte der Menschheit aufgenommen, sagte der libanesische Außenminister Gebran Bassil.
Die meisten von ihnen seien in kleinen Gemeinden und Dörfern untergekommen und stellten dort für die lokale Bevölkerung eine erhebliche Belastung dar. Sie drängten auf den Arbeitsmarkt und eröffneten Geschäfte, die den libanesischen Unternehmern Konkurrenz machten. Dies führe zu Spannungen und Unruhen im Land.
"Wir fordern Unterstützung", sagte Bassil. Über finanzielle Hilfe hinaus erwarte seine Regierung vor allem Verständnis für die politischen Überlegungen in Beirut, wenigstens einen Teil der Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzuführen. Flüchtlinge aus Aleppo zum Beispiel könnten anderswo in Syrien Zuflucht finden. Sie müssten nicht in den Libanon kommen.
Der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam hatte zuvor darauf hingewiesen, dass mit den Flüchtlingen auch Kämpfer des sogenannten "Islamischen Staates" und der extremistischen Al-Nusrah-Front in den Libanon gekommen seien. Sie stellten für sein Land eine existenzielle Bedrohung dar.
Lob für Deutschland
Der Flüchtlings-Hochkommissar der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, der zusammen mit den Bundesministern Steinmeier und Müller zu der Konferenz eingeladen hatte, würdigte die Anstrengungen Deutschlands, das Los der Flüchtlinge zu erleichtern. Die Bundesrepublik habe ungefähr 80.000 Flüchtlingen Aufnahme gewährt. Dies könne das Problem zwar nicht lösen, aber es biete immerhin diesen Menschen die Chance auf ein Leben in Sicherheit. Andere Länder sollten sich daran ein Beispiel nehmen.
Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Deutschland hatten vor Beginn der Flüchtlingskonferenz gefordert, dass die westliche Staatengemeinschaft ihre Unterstützung für die Flüchtlinge verstärken müsse. Ein Bündnis von mehr als 50 NGOs verlangten eine Verdoppelung der humanitären Hilfe. Außerdem sollte Europa mindestens 180.000 Flüchtlinge zusätzlich aufnehmen.