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Neustart in Kiel für Flüchtlingsfamilie

Janine Albrecht 9. Januar 2014

Deutschland hat bislang 2000 syrische Flüchtlinge einfliegen lassen - zum Beispiel Janet Mirad, Khalil Mustafa und deren Sohn. Sie haben einen Sonderstatus, den Menschenrechtler für alle Flüchtlinge fordern.

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Die syrischen Flüchtlinge Khalil Mustafa und Janet Miriad mit ihrem Sohn Jan in Kiel (Foto: DW/Albrecht)
Bild: DW/J. Albrecht

Es nieselt, der Spielplatz vor dem Haus ist leer. Gerne wäre Janet Mirad auch heute wieder mit ihrem Sohn zu den Schaukeln und der großen Rutsche gegangen. "Es gibt hier so viele Spielplätze", sagt sie. Ihre Augen strahlen, als sie erzählt, dass sie jetzt all das nachholen, was ihr fast drei Jahre alter Sohn bislang verpasst hat. Jan wurde im Januar 2011 geboren. In Syrien. Knapp zwei Monate später begannen in dem Land die Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad, die sich zu einem bis heute andauernden Bürgerkrieg zuspitzten.

Damals wohnte Janet Mirad mit ihrem Sohn Jan und ihrem Ehemann Khalil Mustafa in einem überwiegend von Kurden bevölkerten Viertel der Stadt Aleppo. "Zunächst war es noch friedlich, aber Ende 2011 kamen die Kämpfer auch dorthin", sagt Khalil Mustafa. Deshalb zog die Familie im Januar 2012 in den Libanon, ein Freund nahm sie auf, bis der Vater Arbeit und eine kleine Wohnung finden konnte. Doch das Leben dort war schwer. Seit Kriegsbeginn sind bisher mehr als eine Million Syrer in das Nachbarland geflüchtet, das mit dem Ansturm überfordert ist. "Wir wurden dort nicht gut behandelt", sagt Janet Mirad. Eine Freundin von ihr sei aus einem Taxi geworfen worden, als der Fahrer merkte, dass sie aus Syrien kommt. Er habe geschimpft, dass die Syrer daran schuld seien, dass viele Libanesen nun keine Arbeit mehr fänden.

"Konnte es nicht fassen, dass wir diese Chance bekommen"

Als Mustafa von anderen Syrern hörte, dass Deutschland Flüchtlinge aus dem Land holt, glaubte er das zunächst nicht. Schließlich ist er dann doch zum Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) gegangen und hat sich für eine Ausreise registrieren lassen. Seine Familie hat Glück und gehört zu den erstenFlüchtlingen, die im Rahmen des deutschen Regierungsprogramms nach Deutschland geflogen wurden."Selbst als wir im Flugzeug saßen, konnte ich nicht fassen, dass wir diese Chance bekommen haben“, sagt Mustafa. Seine Frau nickt, als er erzählt, auch für sie sei es ein unbeschreibliches Gefühl gewesen. Insgesamt will die Bundesregierung 10.000 syrische Flüchtlinge aus dem Libanon nach Deutschland holen, bislang sind etwa 2000 hier angekommen.

Thorsten Döring, stellvertretender Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein (Foto: DW/Albrecht)
Döhring: "Unterschiede bei Flüchtlingen sind ungerecht"Bild: DW/J. Albrecht

Nach zwei Wochen im Grenzdurchgangslager Friedland wurde die Familie nach Kiel gebracht, denn hier leben die Eltern und die alleinerziehende Schwester von Janet Mirad. Sie sind einige Monate zuvor aus dem Bürgerkrieg geflohen, allerdings auf eigene Faust. "Hier hat man auf der einen Seite eine privilegierte Familie und auf der anderen Seite eine, die lange um ihre Anerkennung bangen musste", sagt Günay Turan von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Kiel. Denn Khalil Mustafa und Janet Mirad gelten nicht als Asylbewerber, sondern bekommen gleich eine Aufenthaltserlaubnis sowie eine Arbeitsgenehmigung. Eine ungleiche Behandlung, die oft kritisiert wird. So fordert der stellvertretende Flüchtlingsbeauftragte von Schleswig-Holstein, Torsten Döhring, dass alle Flüchtlinge sofort arbeiten und Sprachkurse besuchen dürfen. "Die Aufnahme von Asylsuchenden oder Flüchtlingen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betont Döhring, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Rechte von Asylbewerbern engagiert.

Günay Turan ist bei der AWO für die Beratung von Zuwanderern zuständig und kümmert sich um die Flüchtlingsfamilie. Dazu stellt sie Anträge beim Jobcenter und der Ausländerbehörde oder organisiert Spenden wie Kleidung und Spielzeug. "Wir haben auch gleich einen finanziellen Vorschuss beantragt. Die Familie musste sich ja schließlich Essen kaufen", sagt Turan. Sie half auch, Möbel für die kleine Wohnung zu finden, die mittlerweile eingerichtet ist.

Sorgen bei Kriegsmeldungen aus Aleppo

Auf dem Fußboden spielt Jan mit einer Holzeisenbahn. Janet Mirad und Khalil Mustafa schauen zu ihrem Jungen und lächeln. In Syrien und im Libanon habe es ihn traurig gemacht, "zu wissen, dass andere Kinder Spielsachen haben und wir ihm nichts geben konnten", sagt der Vater. Daher sei er jetzt in Deutschland sehr zufrieden. Auch seine Frau ist natürlich froh, ihr Kind endlich in Sicherheit zu wissen. "Er war früher sehr nervös, hier habe ich das Gefühl, dass er ruhiger geworden ist", sagt Janet Mirad. Sie wolle ihm jetzt das Leben zeigen, damit er die Bilder vom Krieg, die er vielleicht in seinem Kopf habe, vergesse. Was sie selbst in Syrien erlebt hat, erzählt sie nicht, nur am Rande erwähnt sie, dass zwei ihrer Freunde gestorben seien, sie selbst ihr Studium nicht fortsetzen konnte, weil es zu gefährlich war, hinaus zu gehen. "Sie sind vom Krieg traumatisiert", sagt Günay Turan. "Aber vielleicht sind sie jetzt erstmal abgelenkt, weil sie hier sehr viel erledigen müssen, aber die Erlebnisse werden irgendwann hochkommen und dann muss die Familie bei Bedarf therapeutisch begleitet werden."

Günay Turan von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Kiel (Foto: DW/Albrecht)
Günay Turan hilft Flüchtlingen in DeutschlandBild: DW/J. Albrecht

Janets Mann macht sich momentan vor allem Sorgen um seine Eltern, die immer noch in Aleppo sind. Immer wieder gibt es Meldungen über Kämpfe in der Stadt im Norden Syriens. "Ich wünsche mir, dass sie nach Deutschland nachkommen können". Er habe gehört, dass das geht, wenn er einen Job habe und genug Geld verdiene. Doch bevor der 29-Jährige in Deutschland arbeiten kann, muss er die Sprache lernen. Dazu besuchen er und seine Frau derzeit einen Integrationskurs. Mehrere Monate wird es dauern, bis sie diesen abgeschlossen haben. Ihr Sohn soll bald in den Kindergarten kommen, damit er auch mit anderen Kindern zusammen sein kann. Deutsch wird er dabei wohl schneller lernen als seine Eltern. Doch jetzt steht erst einmal ein Familienfest an. In wenigen Tagen hat Jan Geburtstag. "Wir haben das bisher nie feiern können", sagt Khalil Mustafa. Doch in Deutschland soll es eine Party zu seinem dritten Geburtstag geben.