Stunde Null für Südafrikas Regierungspartei
15. Februar 2018Der Rücktritt von Jacob Zuma kommt spät. Lange hat sich Südafrikas Ex-Präsident von Skandal zu Skandal gekämpft - und damit sein Land und die Regierungspartei ANC mit nach unten gezogen. Als klar wurde, dass er ein weiteres Misstrauensvotum nicht überleben würde, erklärte Jacob Zuma in der Nacht zum Donnerstag seinen Rücktritt. Damit machte er den Weg für einen Neuanfang frei, den sich viele Südafrikaner sehnlich gewünscht haben.
So auch Makhosi Khoza. Die ehemalige Führungsfrau des ANC hatte schon lange offen den Rücktritt von Jacob Zuma gefordert und musste dann selbst gehen. Vergangenen September trat sie aus der Partei aus und gründete kurz darauf ihre eigene. "Unsere Wirtschaft muss sich erholen", sagt Khoza. Das Land müsse sich jetzt den Respekt wiedererarbeiten, den es unter Zuma verlorenen habe. "Wir Südafrikaner haben ein neun Jahre langes Trauma durchlebt. Ein Skandal folgte auf den nächsten und wir wussten nicht, wo das enden sollte."
Der ANC am Tiefpunkt
Jacob Zumas Präsidentschaft war von Anfang an von Skandalen umwittert. Sein Ruf war schon beschädigt, als der ANC ihn 2007 zum Parteivorsitzenden und damit zum Präsidentschaftskandidaten machte. Einmal im Amt konnte Zuma seine korrupten Praktiken weiter ungestört pflegen. Beispiele dafür sind der Ausbau seiner Privatresidenz auf Staatskosten und die engen Kontakte zur Unternehmerfamilie Gupta. Obwohl die Skandale Schlagzeilen machten und Südafrikas Image immer stärker darunter litt, gelang es dem ANC nicht, sich von seinem skandalumwitternden Vorsitzenden zu distanzieren.
Das hänge mit dem guten Netzwerk zusammen, das sich Zuma in der Partei aufgebaut habe, sagt der südafrikanische Investigativjournalist Philip de Wet. Auch bei Südafrikas neuem Präsident Cyril Ramaphosa, der seit Dezember den ANC-Vorsitz inne hat, sei diese Botschaft angekommen: "Zuma musste entmachtet werden, aber Ramaphosa durfte dabei nicht überstürzt vorgehen, um die Einheit in der Partei nicht weiter zu gefährden", sagt de Wet im DW-Interview. "Sonst hätte der ANC bei den nächsten Wahlen wohl keine Mehrheit gewinnen können"
Basisschwund für die Partei der Erneuerung
Der ANC ist die traditionsreichste Partei in Südafrika. 1912 gegründet, um für das Wahlrecht schwarzer Südafrikaner einzutreten, wurde er später zur Organisation des Widerstands gegen die Apartheid. Nach einem fulminanten Wahlsieg führte die Partei, die drei Jahrzehnte verboten war, die Südafrikaner 1994 in das neue Zeitalter. Unter Präsident Nelson Mandela war sie ein Symbol des demokratischen Neuanfangs und zugleich sein Werkzeug auf dem erhofften Weg zur Regenbogennation, in der Menschen aller Hautfarben friedlich zusammenleben sollten.
Doch davon ist nicht viel übrig geblieben. Auch deswegen, weil trotz der gepredigten Versöhnung die wirtschaftliche Ungleichheit bestehen blieb. Die Lebensbedingungen vieler schwarzer Südafrikaner sind bis heute nicht besser geworden. Heute richte sich die Wut der Menschen auch gegen die Ikone selbst, sagt der Journalist de Wet. "Sie finden, Mandela habe den Ausverkauf Südafrikas betrieben. Anstatt sicherzustellen, dass die weiße Elite entmachtet wird, hat er Südafrika dahin gebracht, wo es heute steht. Der fehlende Wandel, die Armut: All das ist heute deutlich spürbar."
Unter Jacob Zuma setzte sich dann die Idee durch, dass ein radikaler Bruch mit dem bestehenden Wirtschaftssystem her musste - eine wirtschaftliche Revolution, die den politischen Wandel vollenden sollte. Zuma habe sich diese radikale Position in seinen Reden zueigen gemacht - und damit manche internationale Partner verschreckt, sagt de Wet. Doch sei es ihm vor allem darum gegangen, selbst Profit daraus zu ziehen. In der Bilanz seien die nötigen Reformen nur schleppend voran gegangen.
Neuanfang mit altem Gesicht
Immer mehr Mitglieder und Anhänger haben sich in den letzten Jahren von der Volkspartei abgewandt - enttäuscht von der wachsenden Korruption und der fehlenden Erneuerung in der Partei. Mit Julius Malema, bis 2012 Führer der ANC-Jugendliga, kehrten viele junge Nachwuchspolitiker dem ANC den Rücken. Er ist inzwischen Vorsitzender der Partei EFF, bei den Parlamentswahlen 2014 wurde sie aus dem Stand drittstärkste Kraft.
Für den Neuanfang bleibt damit nur ein altes Schwergewicht: Cyril Ramaphosa, Südafrikas neuer Präsident. Unter Mandela war er ANC-Generalsekretär, nun soll er die Partei und das Land fit für die Zukunft machen.
Die Herausforderungen sind enorm - ebenso wie das Vertrauen, das ihm viele junge Südafrikaner entgegenbringen. "Es wird besser sein für das Land, für die Wirtschaft, für jeden einzelnen von uns, Weiße und Schwarze", sagt der 23-jährige Sipho Ngwanye. "Wir werden neu anfangen, ein neues Leben beginnen."
Mitarbeit: Subry Govender und Ineke Mules