Springer kauft sich hoch zum Medienriesen
5. August 2005Der Axel-Springer-Konzern, dem unter anderem das Boulevard-Blatt "Bild" sowie die Tageszeitung "Welt" gehören, legt 2,47 Milliarden Euro auf den Tisch, um sich ein zweites Standbein zu schaffen: Er kauft die Mehrheit der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Springer stockt seine Stimmanteile von zwölf auf 100 Prozent auf, wie das Unternehmen am Freitag (5.8.2005) mitteilte. Die Aktien gehörten vorher dem Investorenteam um den amerikanisch-israelischen Medienunternehmer Haim Saban.
Zeitung kauft Fernsehen
Mit dem Deal gewinnt Deutschlands größtes Zeitungshaus die Kontrolle über Fernsehsender wie ProSieben, Sat.1, Kabel 1 und den Nachrichtenkanal N24. Auch international bekommt es mehr Gewicht: Seit Februar 2005 ist ProSiebenSat.1 in den USA auf Sendung. Springer ist bereits in Polen, Russland, Spanien und Frankreich aktiv und will auch in China Fuß fassen.
Der TV-Konzern hat 2700 Mitarbeiter. Mittelfristig sollen dann die Axel Springer AG und ProSiebenSat.1 verschmolzen werden - zu einem Unternehmen, an dem Verlegerin Friede Springer weiterhin die Stimm-Mehrheit halten wird.
Konkurrenz für Bertelsmanns Medienmacht
Der neue Konzern wäre der internationalen Bertelsmann-Mediengruppe dicht auf den Fersen. Allerdings müssen die Kartellbehörden sowie die Medienaufsicht zu alldem noch ihren Segen geben - die Prüfung wird nach Aussagen einer Kartellamtssprecherin aber mindestens drei Monate dauern.
Mit der Übernahme entstehe der einzige börsennotierte Medienkonzern in Deutschland, der sowohl im Printmedien- als auch im TV-Geschäft tätig sei, hieß es. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner sprach am Freitag (5.8.2005) von einer "einzigartigen Gelegenheit" für seinen Verlag, sich zu vergrößern: "ProSiebenSat.1 ist eine Investition, die sich rechnet", betonte er. Springer investiere selbst in schwierigen Zeiten in ein hoch profitables Geschäft.
Der Springer-Verlag will den Löwenanteil des Kaufpreises bar bezahlen. Die Finanzierung sei bereits sichergestellt, erklärte der Verlag. Im Zuge der Transaktion zahlt Springer den Investoren 22,60 Euro in bar sowie 0,77 Euro in eigenen Aktien je ProSiebenSat.1-Stammaktie. Für die Vorzugsaktien zahlt Springer 14,10 Euro je Aktie. Den freien Aktionären wird ein Pflichtangebot gemacht; wer es nicht annimmt, soll später im Rahmen der Verschmelzung Springer-Aktien für seine Anteile erhalten. Nach Abschluss des Übernahmeangebots plant Springer eine Kapitalerhöhung mit der Ausgabe neuer Vorzugsaktien.
Haim Saban bleibt
Haim Saban, bisher Aufsichtsratschef von ProSiebenSat.1, wird beim Konzern bleiben. Im Zuge der Übernahme erhält die Investoren-Gruppe um Saban 820.000 Aktien der Axel Springer AG. Dies entspricht 2,4 Prozent des Grundkapitals. Saban wird künftig Vorsitzender des TV-Beirats bei Springer. "Der Zusammenschluss mit Axel Springer ist für ProSiebenSat.1 ein entscheidender Schritt in die Zukunft", sagte er am Freitag. Er freue sich, dieses in Europa "einzigartig positionierte Unternehmen mitzugestalten".
Saban hatte gemeinsam mit Finanzinvestoren wie Providence Equity Partners und Hellman & Friedman im Jahr 2003 die Sendergruppe aus der Insolvenzmasse der zusammengebrochenen Kirch-Gruppe übernommen. Unter seiner Regie verbesserte sich 2004 das Ergebnis vor Steuern von 57 auf 217,5 Millionen Euro. Den Umsatz steigerte der Konzern um 1,5 Prozent auf gut 1,8 Milliarden Euro. Alle Sender der Gruppe schrieben schwarze Zahlen.
TV-Konzern ist glücklich
ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch begrüßte die Übernahme: Sie eröffne dem Konzern "neue strategische Perspektiven". Gemeinsam seien beide Unternehmen gut positioniert, um auch international eine starke Position einzunehmen.
Dagegen warnte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vor der Übernahme. Damit entstehe "ein
Meinungsmonopol mit gewaltigem Einfluss auf die öffentliche Meinung", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. (reh)