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Mit "Luisa" gegen sexualisierte Gewalt

20. Februar 2023

Sexualisierte Gewalt ist weltweit ein gesellschaftliches Problem - auch im Stadion. Fußball-Bundesligist Bayer 04 Leverkusen will mit einem Projekt dagegen vorgehen. Andere Länder sind bei diesem Thema Vorreiter.

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Fußballfans von Bayer 04 Leverkusen klatschen gemeinsam
Sexualisierte Gewalt im Stadion ist nicht nur für Frauen immer wieder ein Thema Bild: mirafoto/imageBROKER/picture alliance

Es sind Geschehnisse wie diese, die immer mehr ins Bewusstsein rücken: "Was am Wochenende leider noch passiert ist: Vor dem Spiel packt mir ein fremder Mann kommentarlos an den Po. Nach dem Spiel fasst mir einer im Vorbeilaufen unters Shirt. Wo leben wir eigentlich, dass Menschen immer noch denken, sowas wäre okay?", schrieb Sarah im Sozialen Netzwerk "Twitter" nach einem Stadionbesuch. Sie ist eine der wenigen, die sich öffentlich zu solch Fall sexualisierter Gewalt äußert. 

"Das Thema ist natürlich sehr schambehaftet für die betroffenen Frauen", sagt Andrea Frewer von der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in Leverkusen und nennt unerfreuliche gesamt-gesellschaftliche Zahlen: "Fünf Prozent der Frauen haben bereits sexualisierte Gewalt erlebt. 60 Prozent sogar schon sexuelle Belästigungen." 

Codewort Luisa

Auch in der örtlichen BayArena - wie in nahezu allen Stadien bundes-, europa-, und auch weltweit - kommt es immer wieder zu derartigen Vorfällen. "Auch bei uns gab es eine Sensibilisierung für dieses Thema", sagt Bayer-04-Fanbeauftragter Andreas Paffrath. Vier bis fünf Fälle sexualisierter Gewalt sowohl gegen Frauen als auch Männer, gegen Zuschauer, Ordner oder Hostessen gebe es jährlich regelmäßig im Umfeld der Spiele der Bayer-Profis. Die Dunkelziffer sei zudem groß.

Nachdem sich Paffrath und seine Kollegen der Leverkusener Fanbetreuung über individuelle Projekte anderer Klubs wie etwa Borussia Dortmund oder Arminia Bielefeld erkundigt hatten, beschlossen sie, sich einem bereits etablierten Projekt in Leverkusen namens "Luisa ist hier" anzuschließen. Das Hilfsprojekt war bis dahin vornehmlich in Gaststätten und Kneipen der Stadt aktiv und bietet einen Notruf und weitergehende Hilfemaßnahmen an.

Mit dem Codewort "Luisa" können sich Betroffene nun auch an die Stadion-Mitarbeiter wenden und erhalten Hilfe und Unterstützung. Etwa durch Gespräche, sichere Rückzugsräume, oder auch nur das Hinaus-Begleiten aus der unangenehmen Situation. "Wir helfen ganz individuell", sagt Paffrath. Es gehe vor allem darum, zunächst dem Opfer zu helfen. Die Ermittlung oder Bestrafung der Täter stünden zunächst nicht im Vordergrund. "Das erfolgt erst im Anschluss", so Paffrath. 

Mittag: "Stehen erst am Anfang"

"Dass sich Bayer 04 diesem Projekt angeschlossen hat, ist durchaus bemerkenswert, weil bei diesem Thema doch noch einiges im Argen liegt", sagt Jürgen Mittag, Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung an der Sporthochschule Köln, der DW.

Erst in der jüngeren Vergangenheit - in den Jahren von 2005 bis 2015 - sei das Thema "Gewalt gegen Frauen in Stadien" punktuell auch in den umfassenderen Anti-Rassismus- und Anti-Gewalt-Studien erfasst worden. Ab dem Jahr 2015 sei die Thematik im Zuge der Safe-Sport-Debatte dann nochmal verstärkt ins Blickfeld gerückt, so der Sportwissenschaftler. Zudem gebe es den "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" am 25. November jeden Jahres, "der in jüngster Zeit auch vom Sport aufgenommen wurde", sagt Mittag.

Eine Info-Karte, auf der für das Projekt "Luisa ist hier" geworben wird
Mit dem Projekt "Luisa ist hier" will Bayer 04 Leverkusen sexualisierte Gewalt im Stadion bekämpfenBild: Jörg Strohschein/DW

Im Dreiklang zwischen Problem, Problembewusstsein und Reaktionen würden wir uns aber gerade einmal zwischen dem Problembewusstsein und den ersten Reaktionen bewegen. "Von einer umfassenden Strategie, Schulung, Bildung und auch Gegenreaktion kann hierzulande noch nicht die Rede sein", sagt Mittag. "Aber die ersten Schritte in die richtige Richtung sind eingeleitet, auch in dem Engagement von Bayer 04." 

Vorbild sind angloamerikanische Staaten

Gewisse Vorbildfunktionen in dieser Thematik hätten die angloamerikanischen Länder wie die USA, Australien oder auch Kanada, die uns - sportbezogen - deutlich voraus seien, auch angesichts einschlägigerer Problemfälle, sagt Mittag.

Dort habe der Fokus aber eher außerhalb des Stadions gelegen, im Bereich der Aktiven und Trainer. "Dort gibt es mittlerweile Schulungen, anonymisierte Anlaufstellen, Aufklärungskampagnen und einiges mehr. Und das schwappt dann über zu denen, die sich im sportbezogenen Raum als Fans, Zuschauer, Begleiter bewegen", sagt Mittag. Eine präventive Herangehensweise, die auch in den hiesigen Stadien wünschenswert wäre.

Zurück in der BayArena. Dort wurden im Laufe des vergangenen halben Jahres alle rund 800 Mitarbeiter eines Spieltages in Sachen "Luisa" geschult. Mit Aufklebern, Infoblättern, Plakaten, Ansteckern und auch Durchsagen wird es rund um und im Stadion sichtbare Hinweise geben. Wer Hilfe benötigt, wird sie von nun an finden. "Wenn Frauen wissen, dass es 'Luisa' gibt, fühlen sie sich sicherer", sagt Sozialarbeiterin Andrea Frewer.