Saddam Hussein erklärt sich für "nicht schuldig"
19. Oktober 2005Fast zwei Jahre ist es nun her, da zogen Einheiten der US-Marines am 13. Dezember 2003 Iraks Diktator Saddam Hussein medienwirksam aus einem Erdloch. Wenig später verkündete der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer: "Ladies and Gentlemen: We got him".
Seit Mittwoch (19.10.2005) steht Saddam nun vor Gericht. Zum Prozessauftakt hat sich der ehemalige irakische Präsident vor dem Sondertribunal in Bagdad für nicht schuldig erklärt.
Eine Weltpremiere
Über den Prozess wird kontovers diskutiert: Wie macht man einem Diktator in einem Land den Prozess, das zur Speerspitze der Demokratisierungsbewegung für den arabischen Raum werden soll, ohne dabei den Eindruck eines Besatzertribunals entstehen zu lassen?
Der Prozess gegen Saddam Hussein ist eine Weltpremiere: Noch nie wurde ein arabischer Diktator vor Gericht gestellt. Nicht nur deshalb steht das Sondertribunal unter Druck. Viele Sunniten empfinden den Prozess als eine Erniedrigung, die die Ehre der Araber verletzt. Für die Menschen rund um Saddams Geburtsstadt in der Nähe von Tikrit ist er immer noch ein verdienstvoller Herrscher, der die Ausbreitung der iranischen Revolution von 1979 erfolgreich aufgehalten hat. Nahed Omran, eine pensionierte Lehrerin sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP: "Jede Erniedrigung, die Saddam Hussein seit seiner Verhaftung erleiden musste, ist eine Erniedrigung für jeden Iraker. Ob der Prozess gegen ihn ausgewogen ist, wird sich vor allem daran zeigen, wie viel Achtung den Angeklagten vor Gericht entgegengebracht wird." Zu einem Verfahren vor einem internationalen Gericht ist es nicht gekommen. Washington und die irakische Regierung hatten ein internationales Verfahren wie für den serbischen Diktator Milosevic abgelehnt, aber beteuert, dass Saddam einen fairen Prozess bekommen wird.
Mehrere Einzelprozesse
Nicht in einem Mammutverfahren sondern in mehreren Einzelprozessen sollen die Verbrechen des Diktators und seines engsten Mitarbeiterstabs aufgearbeitet werden. Am Beginn dieser Prozesskette wird das Massaker an der schiitischen Bevölkerung von Dujail aus dem Jahr 1982 stehen, bei dem der Ex-Diktator 148 Männer ermorden lies - davon zeugen Sterbeurkunden, die dem Tribunal vorliegen. Nicht die Größe oder besondere Grausamkeit, mit der Saddam die Bewohner des Dorfes für ein missglücktes Attentat auf ihn bestrafen lies, waren dafür entscheidend. Es ist die Beweislage, die hier am deutlichsten ist. Später sollen dann Prozesse zu den Giftgasangriffen auf die kurdische Stadt Halabja 1988, die blutige Niederschlagung der schiitischen Aufstände nach dem Golfkrieg 1991 und andere Verbrechen folgen. Über die genauen Verfahrensschritte gibt es nur dürftige Auskünfte. Begründung: Die Sicherheit der Beteiligten stehe auf dem Spiel.
Todesstrafe nicht ausgeschlossen
Das Sondertribunal zur Ahndung von Regimeverbrechen im Irak wurde 2003 von der US-Besatzungsverwaltung eingerichtet und mit einem Statut versehen. Es ist zuständig für schwere politische Verbrechen, die zwischen dem 17. Juli 1968, also dem Tag der Machtergreifung der Baath-Partei, und dem 1. Mai 2003 begangen wurden. Bei der Definition dieser Verbrechen haben sich die Amerikaner größtenteils auf das internationale Völkerstrafrecht bezogen. Im Einzelnen werden aufgezählt: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Manipulation der Justiz, Vergeudung und Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Ressourcen sowie die Kriegsführung gegen ein anderes arabisches Land - gemeint ist Kuwait. Für das Strafmaß ist das irakische Strafrecht entscheidend, das als Höchststrafe die Todesstrafe vorsieht. Dadurch ist eine stärkere Anbindung des Sondertribunals an die Vereinten Nationen ausgeschlossen.
Wer sind die Richter?
Von der Anklage bis zur Verteidigung besetzen deshalb irakische Juristen das Tribunal. Die Namen der 50 beteiligten Richter und Staatsanwälte werden bis zum Prozessauftakt nicht bekannt gegeben. Einzige Ausnahme: Der 35-jährige Untersuchungsrichter Raid Juhi. Insgesamt sind für die Prozesse des Tribunals etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt. Verteidigt wird Saddam Hussein vom irakischen Rechtsanwalt Chalil al-Dulaimi, der als einziger übrig geblieben ist, nachdem Saddam einem ganzen Team internationaler und arabischer Anwälte im August das Mandat entzogen hatte. Damit Saddam das Verfahren nicht dazu benutzt, sich als Märtyrer darzustellen, hatte das irakische Parlament den Tribunals-Statut verändert und das Recht des Angeklagten auf Selbstverteidigung eingeschränkt. Neben Hussein wird am Mittwoch gegen sieben weitere Angeklagte der Prozess eröffnet. Darunter unter anderem der Halbbruder Saddams, Barsan al-Tikriti und der ehemalige Vizepräsident Taha Jassin Ramadan.
Symbol für amerikanische Demokratisierungspolitik
Beim ersten Treffen zwischen dem 35-jährigen Untersuchungsrichter Juhi und dem 68 Jahre alten Ex-Diktator hatte der bereits klar gemacht, was von ihm im Prozess zu erwarten sein dürfte. "Ich bin Saddam Hussein al-Madschid, Präsident der Republik Irak" sagte er, und "Bush ist der Verbrecher." Die USA lassen sich das Tribunal etwa 75 Millionen Dollar kosten. Die Welt soll sehen, dass auch ein Tyrann und seine Henker einen fairen Prozess bekommen können.