Porträt: Saddam - Ein skrupelloser Machtmensch
18. Oktober 2005
Der damalige US-Verwalter für den Irak, Paul Bremer, machte keine langen Umschweife: "Meine Damen und Herren - wir haben ihn". Es ist der 14. Dezember 2003. Der irakische Exdiktator Saddam Hussein ist gefasst, die Suche der Amerikaner nach der Nummer eins auf der amerikanischen Fahndungsliste zu Ende. Sie haben ihn unweit seines offiziellen Geburtsortes Tikrit neben einem Landhaus in einem Erdloch gefunden und Saddam hat sich widerstandslos ergeben. Ein Vollbart lässt ihn aussehen wie George Moustaki, aber spätestens nach einer über das Fernsehen weltweit verbreiteten Untersuchung seines Gebisses steht fest: Es ist Saddam Hussein.
Der einst so mächtige Mann, der von nun an in einem Gefängnis der Besatzer außerhalb von Bagdad eine Zelle bezieht, hat eine bewegte Laufbahn hinter sich. Er stammt aus einfachsten Verhältnissen - und dennoch hat er es bis ganz nach oben gebracht. Saddam wuchs bei einem Onkel auf, dessen Nationalismus und Bewunderung für die Nazis sicher ebenso prägend für den jungen Saddam waren wie daheim die Gemeinheiten des Stiefvaters. Es ist nicht bekannt, dass er religiös aufgezogen worden wäre und so sind religiöse Töne, die später gelegentlich aus seinen Reden klingen, wohl reine Taktik, um bei den Massen Rückhalt zu gewinnen.
Zigarren, Whisky, Lobgesänge
In Wirklichkeit ist Saddam Hussein eher bekannt als Liebhaber schottischen Whiskys, kubanischer Zigarren, blonder Frauen und gefälliger Lobgesänge. Er hat sicher alles erreicht, was ein Iraker mit diesem Hintergrund je hat erreichen können. Zielstrebig hat er sich in diese Position hineingearbeitet und hineingemordet.
Die Karriere dieses Mannes ist gesäumt von Leichen. Von der Ermordung eines Kommunisten in Tikrit über die Liquidierung von Konkurrenten aus dem eigenen Lager, die Massenhinrichtungen von Kommunisten, Juden oder auch von Offizieren, die in Ungnade gefallen waren. Selbst Verwandte und engste Freunde waren vor Saddam nicht sicher, der jeden Zweifel beiseite schob mit den Worten: "Lieber einen Unschuldigen umbringen, als einen Schuldigen leben lassen".
In der Jugend versuchte er sich vergeblich als Tyrannenmörder an einem seiner Vorgänger im Amt des Staatsoberhaupts, Flucht und Exil folgten, dann die Heimkehr und ein langsamer, aber unaufhaltsamer Aufstieg bis an die Spitze in Bagdad. Zunächst als "Stellvertreter" des immer machtloseren Präsidenten Al Bakr, dann als selbstherrlicher und sich selbst überschätzender Präsident. Diese Überheblichkeit hat den Irak bereits zweimal ins Unglück gestürzt: Im langen Krieg gegen den Iran - und dann wieder bei der Eroberung Kuwaits, die 1991 zur "Operation Wüstensturm" führte.
Hitler als Vorbild
Saddam hatte bereits als junger Mann in Kairo mit Gewalt gedroht und konnte nur dadurch die Oberschule absolvieren. Er verschaffte sich in Bagdad auf ähnliche Weise einen Jura-Titel - und er ernannte sich selbst zum Feldmarschall, ohne auch nur die Aufnahmeprüfung in die Militärakademie bestanden zu haben. Aber er bestand immer wieder darauf, selbst zu entscheiden und misstraute all denen, die besser gebildet waren als er.
Saddams Lehrmeister und Vorbilder machen eine illustre Gesellschaft aus: Von Hitler bis Stalin hat er gelernt, einen totalitären Staat mit allgegenwärtiger Kontrolle der Geheimdienste und erbarmungsloser Unterdrückung auch nur der leisesten Kritik zu führen. Franzosen verhalfen ihm - fast - zur Atombombe, Deutsche - wahrscheinlich - zu chemischen Waffen. Und von der amerikanischen CIA hat er Hilfe im Krieg gegen den Iran bekommen und seine ersten biologischen Waffen. Hierüber aber sprechen beide Seiten nicht gerne - und beide verteufeln heute einander, wie es nur eben geht. Beispiel Saddam: "Die Aggressivität der heutigen amerikanischen Administration hat einen Hauptgrund - nämlich die Beherrschung der Welt und die Kontrolle des Öls im Nahen Osten."
Erst aufgerüstet, dann entmachtet
Saddam Hussein wurde allzu lange falsch eingeschätzt. Von den Irakern selbst, aber erst recht vom Ausland. Sonst hätte ihn nicht derselbe Donald Rumsfeld als Vertreter der damaligen US-Regierung gegen den Iran militärisch aufgerüstet, der ihn dann später - 2003 - als amerikanischer Verteidigungsminister entwaffnen und entmachten ließ. Und sonst hätte Moskau ihn zu Sowjetzeiten nicht unterstützt, während er im Irak selbst Kommunisten verfolgte. Ohne solche Unterstützung wäre der Diktator kaum so weit gekommen. Die Welt hat ihn dazu gemacht.
Dem prominenten Häftling soll nun der Prozess gemacht werden. Eindeutig belegbar ist die direkte Verantwortung Saddams offenbar aber nur in einem Fall: Dem der Ermordung von 143 Einwohnern des Ortes Dudschail 1982. Es gibt eine Filmaufnahme, die Saddams Schuld einwandfrei dokumentiert. Dieser Fall wird denn auch das erste von insgesamt zwölf geplanten Verfahren gegen den Ex-Diktator sein. In den anderen Verfahren - unter anderem wegen des Giftgas-Angriffes auf das kurdische Halabdscha - dürfte die Überführung nicht so leicht sein. Ob es zu den elf weiteren Verfahren kommt, ist außerdem ungewiss: Saddam droht schon im ersten die Todesstrafe und die kann nach irakischen Recht sofort vollstreckt werden.
Eine wirkliche Aufarbeitung der Saddam-Zeit ist unter diesen Umständen nicht zu erwarten und auch zwei andere werden leer ausgehen: Der Iran und Kuwait fordern beide getrennte Verfahren gegen Saddam.