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"Rave The Planet" in Berlin

Kevin Tschierse | Verena Greb
Veröffentlicht 7. Juli 2023Zuletzt aktualisiert 9. Juli 2023

Blauer Himmel, Sonne satt: Die zweite Techno-Parade "Rave The Planet" zog bei Temperaturen über 30 Grad Celsius durch Berlin. Wegen eines abgesprungenen Sanitätsdiensts stand das Event zuvor auf der Kippe.

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Feiernde auf Wagen und der Straße vor dem Brandenburger Tor in Berlin bei "Rave the Planet" 2.
Raven bis in die Nacht: Die Straßen Berlins gehörten einen Nachmittag und Abend lang den Techno-FansBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

"Wir haben das Unmögliche möglich gemacht", verkündete Dr. Motte in seiner Auftaktrede zur zweiten "Rave The Planet" an diesem Samstag in Berlin. Laut "Berliner Morgenpost" bekam der DJ, der Veranstalter des Großevents ist, "tosenden Applaus" dafür. Die Berliner Feuerwehr und Polizei hatten erst wenige Stunden vor Beginn grünes Licht für die Parade gegeben.

"Die Innenstadt gehört heute den Raverinnen und Ravern", hieß es auf dem Twitter-Account der Polize. Erst am Vortag hatten die Veranstalter bekanntgegeben, dass die Parade stattfinden kann, da der dafür notwendige private Sanitätsdienst gerade noch rechtzeitig gefunden worden war. Um die dadurch erhöhten Kosten zu decken, gab es zahlreiche Spendenaufrufe. 

"Rave The Planet": Techno-Event und politische Demonstration

Die Veranstaltung, die als Fortsetzung der "Loveparade" gilt, zog auch im zweiten Jahr ihres Bestehens Musikbegeisterte aus aller Welt an. Sie will mehr sein als eine große Party. "Wir demonstrieren heute tanzend als Techno-Familie für eine bessere Welt", so Dr. Motte. 

Menschen hinter einem Banner von "Rave The Planet" in Berlin, zu lesen ist "And the disarmament be...."
"Rave The Planet" 2 versteht sich als Demonstration für Frieden und den Erhalt der elektronischen ClubkulturBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Die Veranstalter reichten sogar eine Bewerbung um die Anerkennung als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO ein. "Bei der Technokultur ist es auffällig, dass auf den Partys nicht nur junge Leute sind. Sondern es ist eine Kultur, wo ältere Personen den Jüngeren etwas zeigen," argumentiert beispielsweise der Musikwissenschaftler Hans Cousto in einem UNESCO-Bewerbungsvideo auf der Website von "Rave The Planet". "Da wird ein Wissen von Generation zu Generation übertragen. Und diese Wissensvermittlung in der Feierkultur, das ist etwas, das muss geschützt sein".

Von Techno über House bis hin zu Trance: Die verschiedenen Techno-Genres, die bei "Rave The Planet" zu hören waren, spiegeln laut Veranstaltern die Vielfalt und Bandbreite der elektronischen Musikkultur wider.

Die Geschichte von "Rave The Planet" 

2023 nahmen über 200 internationale Künstlerinnen und Künstler an der Parade durch Berlin teil. Auf 25 verschiedenen Wagen spielten sie ihre Sets. Die zweite Ausgabe trug das Motto "Music is the answer". 

"Rave The Planet" fand erstmals im Jahr 2022 statt. Damals hatten sich die Veranstalter für eine Neuausrichtung der einstigen "Loveparade" unter diesem Namen entschieden.

Der Schritt erfolgte nach der  Tragödie vor 13 Jahren. 2010 kam es während des Techno-Umzugs, der damals in Duisburg veranstaltet wurde, zu einer Massenpanik auf dem nicht geeigneten Gelände. 21 Menschen verloren im Gedränge im Zugangsbereich ihr Leben. Mit der Umbenennung sollte außerdem die Wichtigkeit von Sicherheit und Verantwortungsbewusstsein betont werden.

Warum der Sanitätsdienst abgesprungen ist

Vor der zweiten Ausgabe von "Rave The Planet" gab es lauten Medien-Wirbel. Denn der Malteser-Rettungsdienst, der einst bereits bei der "Loveparade" dabei war, sprang rund zwei Wochen vor der Techno-Parade ab. Damit hätten den wummernden Straßenumzug keine Erst- und Nothelfer begleitet - unmöglich bei einer Großveranstaltung mit erwarteten 300.000 Feiernden.

Die Schuld daran schieben sich die Veranstalter und die Hilfsorganisation jeweils gegenseitig in die Schuhe. Die Organisatoren behaupten, die Malteser hätten sie einfach hängen lassen, die Absage hätte sie "wie ein Schlag ins Gesicht getroffen". Die Hilfsorganisation hingegen erklärte: "Erstmals wurden uns am 20. Juni 2023 unvollständige Planungsdateien, darunter ein noch nicht finales Sicherheitskonzept, zur Verfügung gestellt." Auf Grund der aus Sicht der Malteser mangelnden Planung sei man gezwungen gewesen, auf das Angebot zu verzichten.

Ersatz gefunden

Einen Ersatz in so kurzer Zeit zu finden, schien fast unmöglich. Noch bis zum Vortag des Events war nicht klar, ob "Rave The Planet" nicht doch hätte abgesagt werden müssen. Weil ein privater Sanitätsdienst um ein Vielfaches teurer ist, als eine Hilfsorganisation wie die Malteser, starteten die Organisatoren kurzfristig einen Crowdfunding-Aufruf.

Auf der Gofundme-Seite wurden jedoch nur rund 20.000 Euro der veranschlagten 250.000 Euro gesammelt (Stand 07.07.2023). Dennoch erklärte Geschäftsführer Timm Zeiss am Vortag der Parade: "Die Veranstaltung findet statt." Ein kommerzieller Sanitätsdienst sei gefunden und die Verträge seien unterschrieben worden.

"Wir möchten die Sicherheit unserer Teilnehmer in jedem Moment der Versammlung gewährleisten", so Zeiss. Ob die Finanzierung durch Spenden gesichert werden kann, ist bislang nicht bekannt. 

Über 200.000 Raver in Berlin 

Im vergangenen Jahr strömten am 09. Juli rund 200.000 Menschen aus aller Welt in die Straßen Berlins. Nach Polizeiangaben waren es 2023 ähnlich viele. Von größeren Zwischenfällen wurde nicht berichtet. Ein Tweet der Polizei, wonach die Raver trotz der Temperaturen angezogen bleiben sollten, sorgte für Aufsehen: 

Wie schon die "Loveparade" in den 1990er- und 2000er-Jahren startete der Umzug traditionell am Kurfürstendamm und endete im Berliner Tiergarten zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule.

Bis 22 Uhr durften die Raver schwitzen, zu pulsierendem Techno-Sound tanzen und zwischendurch Reden lauschen, wie etwa jener des neuen Berliner Kultursenators Joe Chialo. Darin ging er darauf ein, dass es sich bei der ehemaligen "Loveparade" um "ein urberlinerisches Ereignis" handele. Berlin sei eine "Stadt der Vielfalt", in der es "keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus und Homophobie" gebe.

Im Anschluss konnte auf offiziellen und inoffiziellen Afterpartys weitergeravt werden. Neben Feierlichkeiten in bekannten Berliner Clubs ist eine offiziell angekündigte Afterparty auch der "Clean-Up Day" am Folgetag.

Müllentsorgung war Problem der "Loveparade"

Die Kosten der Müllentsorgung stürzten die Veranstalter des Vorgängers nämlich um die Jahrtausendwende in den finanziellen Ruin. Die "Loveparade" nahm ein jähes Ende. Weil sie damals nicht mehr, wie in den 1990er-Jahren, als Demonstration anerkannt wurde, mussten die Veranstalter für die Müllbeseitigung selbst aufkommen.

Vogelblick auf die Loveparade 1999 mit Wagen und tanzenden Menschenmassen.
Zur Loveparade 1999 kamen 1,5 Millionen Besucher - und hinterließen Müll und VerwüstungBild: Wolgang Kumm/picture alliance/dpa

Um die Sicherheit und das Wohlergehen der Teilnehmer zu gewährleisten, arbeiten die Veranstalter laut eigener Aussage eng mit den Berliner Behörden zusammen. Denn "Rave The Planet" steht noch immer im Schatten der schrecklichen Ereignisse bei der "Loveparade" von 2010. 

Dies ist eine aktualisierte Version des am 07.07.2023 erstmals veröffentlichten Artikels.