Sicherheit bei Musikfestivals
6. November 2021Nach den härtesten Monaten der Corona-Pandemie war es für viele Musikfans in diesem Sommer und Herbst eine Wohltat, endlich wieder ihre Lieblings-Acts live sehen zu können, ohne große Angst vor Ansteckung in der Menge zu baden und gemeinsam zur Musik zu tanzen. Ausgerechnet dabei kam es in den USA jetzt zu einem tödlichen Unfall: Beim Konzert des Rappers Travis Scott auf dem von ihm selbst gegründeten Festival Astroworld kamen mindestens acht Menschen ums Leben. Die Umstände der Katastrophe werden zurzeit untersucht.
2010 gab es auch in Deutschland eine große Tragödie: Bei der Loveparade in Duisburg starben 21 Menschen, 652 wurden verletzt. Hier passierte die Katastrophe durch Gedränge in den viel zu engen Zugangsbereichen. Eine ähnliche Situation wie in Texas - mit Tumulten vor der Bühne - gab es im Jahr 2000 beim Musikfestival im dänischen Roskilde. Damals entstand beim Konzert der Band Pearl Jam besonders dichtes Getümmel, immer mehr Menschen versuchten, Richtung Bühne zu gelangen, die gesamte Masse an Fans geriet in Bewegung und drückte immer fester gegen die vorderen Reihen. Dabei gingen zahlreiche Fans zu Boden. Neun von ihnen kamen ums Leben, viele weitere wurden verletzt.
Veränderungen in der Festivalkultur
Die Katastrophe hatte damals weitreichende Folgen. Das Festival verbesserte seine Sicherheitsvorkehrungen in den Jahren darauf enorm: Zu den ersten Maßnahmen gehörten abgesperrte Sicherheitszonen, Asphaltierungen und umfangreichere Schulungen für die Sicherheitskräfte. Heute gelten die Sicherheitskonzepte aus Roskilde als vorbildlich, haben weltweit Schule gemacht und wurden von zahlreichen anderen Großveranstaltungen übernommen.
Was bis weit in die Neunziger noch als völlig normal galt - nämlich bei einem Rock-Konzert über das halbe Festivalgelände oder durch den Konzertsaal geschleudert zu werden - gehört heute auch dank sogenannter "Wellenbrecher" der Vergangenheit an. Die Absperrungen im Publikumsbereich von Open-Air-Geländen oder in Konzertsälen teilen das Publikum auf und verhindern, dass die vorne stehenden Zuschauerinnen und Zuschauer von der Masse hinter ihnen gegen die Bühnenabsperrungen gedrückt werden.
Neues Bewusstsein
Ernst-Ludwig Hartz ist Konzertveranstalter und organisiert seit den 1980er Jahren Konzerte und Open Air Festivals mit bis zu 65.000 Menschen. Sicherheit stand bei ihm von Anfang an "ganz oben auf der Agenda" und bereits lange vor dem Unglück in Roskilde musste er strenge Sicherheitsauflagen erfüllen, um seine Veranstaltungen genehmigt zu bekommen.
Für ihn und seine Kolleginnen und Kollegen war Roskilde "natürlich ein großes Thema. Wir haben darüber nachgedacht, ob wir alles richtig machen, was wir verbessern können." Auch das Bewusstsein der Konzertbesucher habe sich seither verändert, die Musikfans achten mehr aufeinander, so Hartz gegenüber der DW.
Risiken so klein wie möglich halten
Nach Roskilde hatten sich auch die Sicherheitsauflagen in Deutschland verschärft, und entsprechende Maßnahmen werden laut Ernst-Ludwig Hartz bis heute immer weiter entwickelt. Hundertprozentige Sicherheit kann natürlich nie gewährleistet werden, wenn große Menschenmassen zusammenkommen. Doch Veranstalter haben heutzutage viele Mittel zur Hand, um die Risiken so klein wie möglich zu halten - ohne dabei das Konzert-Feeling zu zerstören oder das Bad in der Menge zu verhindern.
Was genau in Texas passiert ist und ob die Veranstalter fahrlässig gehandelt haben, werden die Untersuchungen der Ermittler ergeben. Der 5. November 2021 ist jedenfalls ein weiterer schwarzer Tag in der Geschichte der Musikfestivals geworden. Pearl Jam sind nach der Katastrophe in Roskilde jahrelang nicht mehr auf Festivals aufgetreten. Heute bittet die Band bei jedem ihrer Konzerte um gegenseitige Rücksichtnahme und Vorsicht. Das ist für sie ein festes Ritual geworden.