Plant Schäuble "Grexit" auf Zeit?
11. Juli 2015Im Sport heißt es Zeitstrafe: Ein Spieler im Eishockey muss nach einem Foul für einige Minuten auf die Strafbank. Etwas Ähnliches hat offenbar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Griechenland im Sinn - nur eben etwas länger. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) erwägt Schäuble ein mehrjähriges Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone - sozusagen einen "Grexit" auf Zeit.
Erwogen werde, mit Athen über eine "Auszeit" aus dem Euro zu verhandeln, meldet die FAS unter Berufung auf ein Positionspapier Schäubles. Dies bedeute, dass das Land die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlasse und in dieser Zeit seine Schulden restrukturiere. Es bleibe jedoch EU-Mitglied und erhalte weiter wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung.
"Kein Kommentar"
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Aus Athen kam aber sogleich ein indirektes Dementi: Über ein vorübergehendes Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone sei auf dem Treffen der Finanzminister in Brüssel nicht geredet worden, sagte ein Sprecher der griechischen Regierung - was mit Blick auf ein etwaiges Positionspapier freilich wenig besagt.
Die FAS berichtet, der "Grexit auf Zeit" sei einer von zwei Wegen, die Schäuble derzeit für Griechenland noch sehe. Die andere Option: Die Regierung in Athen bessere ihre jüngsten Vorschläge rasch und umfassend nach - mit voller Unterstützung des Parlaments. Schäuble schlage unter anderem vor, Griechenland solle Vermögenswerte im Volumen von 50 Milliarden Euro an einen Treuhandfonds übertragen, der sie verkaufe und damit Schulden abtrage.
"Keine Grundlage für neues Rettungspaket"
Die aktuellen griechischen Sparvorschläge beurteile Schäuble in dem Positionspapier - das den anderen Euro-Staaten vorliege - negativ, so die FAS. In den Vorschlägen fehlten zentrale Reformbereiche, um das Land zu modernisieren und auf lange Sicht Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung voranzubringen - deshalb könnten sie nicht die Grundlage für ein komplett neues, auf drei Jahre angelegtes ESM-Programm bilden.
Aus Kreisen der Verhandlungsteilnehmer in Brüssel wird derweil kolportiert, die Euro-Finanzminister hätten die erste Runde ihrer Beratungen mit einem für Athen düsteren Ergebnis beendet. Es gebe "eine deutliche Mehrheit" dagegen, auf Basis der neuen griechischen Vorschläge Verhandlungen für ein drittes Rettungspaket aufzunehmen, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen ungenannten EU-Vertreter. Die Beratungen dürften sich aber noch bis zum späten Samstagabend hinziehen.
jj/cr (dpa, rtr, fas)