Papstbesuch in Ungarn: Nur ein Zwischenstopp
12. September 2021Der 52. Internationale Eucharistische Kongress, der gerade in Budapest stattfindet, soll eine "kirchliche Öffnung zur Welt" sein, so Kardinal Peter Erdö, Primas von Ungarn. Viele seiner Landsleute stehen aber der Katholischen Kirche Ungarns kritisch gegenüber. Gläubige sagen, die Kirche sei viel zu eng mit der ungarischen Regierung verbunden und erfülle ihre gesellschaftliche Rolle nicht mehr.
Wenn man den diesjährigen Kongress mit einem Adjektiv beschreiben müsste, wäre dies "überdimensioniert": Es ist die größte Veranstaltung Ungarns seit Beginn der Corona-Pandemie, die Eröffnungsmesse bestand in einer riesigen Erstkommunionsfeier und auf dem Budapester Heldenplatz steht für die Zeit des Kongresses ein riesiges Kreuz.
Sogar die Corona-Maßnahmen wurden für das Event gelockert: Es gibt keine Maskenpflicht, keine Abstandsregeln und keine Kontrollen, ob jemand geimpft, genesen oder getestet ist. Die ungarische Regierung gründete zwar eine "Task Force", hob aber die Einschränkungen für Massenveranstaltungen trotz steigender Corona-Zahlen vorübergehend auf. Und das, obwohl der Regierungssprecher Zoltan Kovacs von rund 100.000 Besuchern sprach, die aus der ganzen Welt zu erwarten seien.
Kirche und Regierung in Ungarn: Enge Verbündete
Ungarn war 1938 schon einmal Gastgeber des Kongresses. Kirche und Regierung waren damals, in der Ära des autoritären und mit Hitler verbündeten Reichsverwesers Miklos Horthy, ähnlich eng miteinander verbunden wie heute. Auch damals profitierte die Kirche vor allem finanziell von der Nähe zur Politik. Seitdem Ungarn von Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei regiert wird, hat diese Abhängigkeit zugenommen. Allein für den diesjährigen Kongress hat die Katholische Kirche Ungarns inmitten der Coronakrise umgerechnet rund 86 Millionen Euro Unterstützung erhalten.
Orban nennt Ungarn häufig ein "christliches Land", die christliche Identität spielt in der Regierungsrhetorik eine zentrale Rolle. Die ungarische Nation wird in der umstrittenen Präambel der von der Fidesz-Partei 2011 verabschiedeten Verfassung ethnisch und christlich definiert. In der Flüchtlingskrise wollte Orban das "christliche Europa" vor der Einwanderung überwiegend muslimischer Migranten bewahren. In einer Rede zur Eröffnung des Universitätssemesters am Budapester Matthias-Corvinus-Kollegium am Donnerstag (9.09.2021) mahnte er, das Konzept der offenen Gesellschaft habe dem Westen den Glauben an die eigenen Werte gestohlen. Angesichts der derzeitigen "muslimischen Flut" seien die westeuropäischen Länder - wie zum Beispiel Deutschland - nicht in der Lage, sich ihrer eigenen Mission zu stellen, so Orban.
Jugend eher konfessionslos
Die genaue Zahl der Christen in Ungarn ist unbekannt, die letzte Volkszählung fand schon vor zehn Jahren statt. Damals gaben lediglich 54,2 Prozent der Befragten eine Religionszugehörigkeit an. Die Mehrheit (37 Prozent) bekannte sich als römisch-katholisch. Nur ein Bruchteil davon praktiziert aber tatsächlich ihren Glauben - niedrig ist die Zahl vor allem in den jüngeren Generationen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018, für die junge Ungarn zwischen 16 und 29 Jahren befragt wurden, gaben nur drei Prozent an, regelmäßig in die Kirche zu gehen; 67 Prozent sahen sich selbst eher konfessionslos.
Religionsunterricht wurde 2013 als Wahlpflichtfach in den ungarischen Schulen eingeführt. Seitdem wurden auch immer mehr Schulen an die Katholische Kirche zurückgegeben - nachdem die Kommunen diese Einrichtungen nicht mehr finanzieren konnten. Nun wurden laut Informationen des ungarischen Investigativ-Portals Atlatszo Schüler mehrerer solcher kirchlichen Einrichtungen dazu verpflichtet, an Veranstaltungen des Eucharistischen Weltkongresses teilzunehmen, damit die Besucherzahlen besser werden.
Warum bleibt der Papst nur wenige Stunden?
Wohl keinen Mangel an Besuchern wird die Abschlussmesse des Kongresses haben - die zelebriert in Budapest am Sonntag (12.09.2021) Papst Franziskus. Es ist sein erster Besuch in Ungarn. Doch der sieht eher nach einem Zwischenstopp auf der Reise in die benachbarte Slowakei aus. Lange war auch fraglich, ob Franziskus ungarische Spitzenpolitiker treffen würde, also den Premierminister Viktor Orban und den Staatspräsidenten Janos Ader. Eine Begegnung soll nun letztendlich stattfinden, aber nur kurz und nur in unmittelbarer Nähe der Messe, in einem Museum am Budapester Heldenplatz.
Franziskus wird ungefähr sieben Stunden in Ungarn verbringen - dafür aber drei Tage in der Slowakei und zwar direkt nach der Abschlussmesse. Das sei ein Zeichen für die Meinungsunterschiede zwischen Orban und dem Papst, glauben viele Beobachter in Ungarn. Tatsächlich liegen Franziskus und Orban vor allem in der Flüchtlingspolitik weit auseinander.
Die schweigende Kirche Ungarns
Kritische Gläubige werfen der ungarischen Kirche vor allem vor, dass sie zu wichtigen gesellschaftlichen Themen keine Position beziehe, sondern eher schweige. So etwa gibt es keine öffentlichen Debatten über die von Journalisten und Experten enthüllten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
Auch zur kurzen Dauer des Papstbesuchs äußern sich Repräsentanten der Kirche nicht. Ungarns letzter Papstbesuch liegt bereits 25 Jahre zurück. Johannes Paul II. verbrachte im September 1996 zwei Tage in Ungarn. Und im August 1991 waren es sogar fünf Tage.