Neue SMS aus Edathys Archiv
19. Dezember 2014Er wolle zur Wahrheit beitragen und keinesfalls einen Rachefeldzug gegen seine Partei führen, die ihn einst eiskalt abserviert hatte. Das erklärte Sebastian Edathy vor der versammelten Hauptstadtpresse. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages verneinte der frühere SPD-Politiker überraschend klar, von Parteichef Gabriel, Außenminister Steinmeier oder Fraktionschef Oppermann vor Ermittlungen oder Razzien wegen des Besitzes von Kinderpornographie gewarnt worden zu sein. Anderenfalls hätte die SPD-Spitze ihrerseits Ermittlungen wegen Strafvereitelung fürchten müssen.
Ausschussmitglieder mehrerer Parteien halten Edathys Aussagen für plausibel. Der Linken-Abgeordnete Frank Tempel sieht die SPD-Spitze vorerst entlastet. Fraktionschef Thomas Oppermann, der am stärksten verdächtig war, habe offenbar sogar ausdrücklich untersagt, Informationen an Edathy weiterzugeben, die die SPD-Führungsebene bereits besaß.
Linke fordert Ermittlungen gegen Ex-BKA-Chef
Nach monatelangem Schweigen benannte Edathy endlich seine Informanten. Es soll sich dabei um den wegen einer Drogenaffäre bereits angeschlagenen SPD-Abgeordnete Michael Hartmann und den inzwischen pensionierten früheren Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, handeln. Hartmann bestreitet die Vorwürfe zwar, ist aus Sicht des Linken-Obmanns im Untersuchungsausschuss durch "große Brüche und Wissenslücken" aber eher unglaubwürdig. Allerdings sei es immer schwer, wenn Aussage gegen Aussage stehe, räumt Tempel ein. Er fordert deshalb die baldige Vernehmung Zierckes im Untersuchungsausschuss. Außerdem müsse die Justiz gegen den früheren obersten Kriminalbeamten Deutschlands tätig werden, weil in seinem Fall sowohl der Verdacht von Strafvereitelung als auch von Geheimnisverrat bestehe. Ziercke, ebenfalls SPD-Mitglied, hat allerdings bereits wissen lassen, dass er nichts verraten habe.
CSU hat Oppermann nicht verziehen
Dass die SPD, um deren Innenleben es in der Edathy-Affäre hauptsächlich geht, bald zur Ruhe kommt, ist unwahrscheinlich. Die CSU, deren damaliger Innenminister Hans-Peter Friedrich wegen der Affäre den Hut nehmen musste, möchte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann möglichst bald vor den Untersuchungsausschuss zitieren. Zwar läßt der CSU-Vertreter im Untersuchungsausschuss, Michael Frieser wissen, die Edathy-Affäre werde die Große Koalition von SPD, CDU und CSU nicht zu Fall bringen. Doch Oppermann ist in der CSU höchst unbeliebt, weil er öffentlich machte, dass Friedrich die SPD auf höchster Ebene vom Verdacht gegen Edathy informierte. Das löste den Rücktritt des CSU-Politikers aus, der neben Edathy selbst bisher das einzige Opfer ist.
Ob der Untersuchungsausschuss tatsächlich Klarheit in der Angelegenheit schaffen kann, ist auch für Linken-Politiker Tempel völlig offen. Trotzdem habe der Ausschuss, der jüngst zwölf Stunden lang tagte und die zeitgleichen Abstimmungen im Bundestag verzögerte, eine "relativ hohe Bedeutung". Denn die Affäre um Edathy habe zur Politikverdrossenheit beigetragen: "In meinem Wahlkreis höre ich erhebliche Zweifel, dass auf parlamentarischer Ebene rechtmäßig gehandelt wird, wenn es um Strafverfahren gegen Politiker geht", sagte Tempel gegenüber der DW. Es müsse deshalb geklärt werden, ob im Falle Edathy die Gewaltenteilung und die Kontrolle von Exekutive und Legislative in Ordnung gewesen sei.
SMS aus dem Inneren des Politikbetriebes
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte im Deutschlandfunk, in der Affäre werde "hammerhart gelogen". Man wisse nur noch nicht von wem. Dies werfe ein schlechtes Licht auf die Politik und bestärke "eine Art Generalverdacht in der Bevölkerung".
Ex-Politiker Sebastian Edathy, der nach eigenen Worten nichts mehr zu verlieren hat, lässt die Öffentlichkeit indes durch weitere SMS aus seinem persönlichen Archiv an den Ränken und Intrigen hinter den Kulissen teilhaben. Einen Tag nach einem spektakulären Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin veröffentlichte er auf Facebook erneut eine SMS aus dem Oktober 2013. Darin bezeichnet die SPD-Politikerin Eva Högl – derzeit Vorsitzende des Untersuchungsausschusses - die Auswahl der Kandidaten für die Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU als undurchsichtig: "Die ganze Aufstellung erfolgte nach unbekannten Regeln. Wir können es auch Sigmars Chaos oder Anarchie nennen ;-)". Es liegt nahe, dass mit 'Sigmar' in diesem Fall Parteichef Sigmar Gabriel gemeint war. Edathy kam damals nicht mehr zum Zuge bei der Verteilung der Posten. In Berlin ist man gespannt, welche Pfeile der tief gekränkte Ex-Politiker noch im Köcher hat.