Musterschüler mit Makel
18. Februar 2003Über mangelndes Lob aus Brüssel kann sich die Republik Zypern nicht beklagen. Wiederholt hat die EU-Kommission der Inselrepublik Vollbeschäftigung, ein ansehnliches Wirtschaftswachstum sowie eine funktionierende Marktwirtschaft bescheinigt. Zypern begann schon sehr früh einen intensiven Dialog mit der Europäischen Gemeinschaft (EG). 1973 trat ein Assoziierungsabkommen mit der EG in Kraft. Das Abkommen sah den Abschluss einer Zollunion zwischen Zypern und der Gemeinschaft vor, die in zwei Phasen innerhalb von zehn Jahren vollendet werden sollte.
Das Vorhaben geriet jedoch unverhofft ins Stocken. 1974 marschierten 30.000 türkische Soldaten auf der Insel ein. Ein Drittel des Territoriums wurde besetzt. Sympathisanten der Athener Militärjunta hatten damals versucht, die zypriotische Regierung um Erzbischof Makarios zu stürzen, um so die Vereinigung Zyperns mit Griechenland durchzusetzen. Es kam zu Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen. Seitdem ist die Insel in einen türkischen Nordteil und einen griechischen Südteil geteilt.
Reichtum ungleich verteilt
1983 wurde die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen, die international nicht anerkannt wird. Nur der Südteil unter der griechisch-zypriotischen Regierung wird als einzig legitimierte Volksvertretung von allen Staaten – mit Ausnahme der Türkei – anerkannt. Wenn von den vorbildlichen Leistungen der Insel gesprochen wird, dann bezieht sich das nur auf diesen Teil der Insel. Über den türkischen Nordteil gibt es kaum verlässliche Wirtschaftsdaten. Er ist vollständig von Ankara abhängig.
Die Republik Zypern stellte im Juli 1990 den Antrag auf Vollmitgliedschaft in der EU. Sie verfolgte dabei zwei Hauptmotive: Zum einen existierte der ausdrückliche Wunsch, in einer Ära der fundamentalen Veränderungen in der globalisierten internationalen Völkergemeinschaft Teil eines größeren Ganzen zu sein.
EU als Motor der Wiedervereinigung
Zum anderen sah die Republik Zypern den EU-Beitritt als einmalige Gelegenheit, eine gerechte und lebensfähige Lösung für den Zypern-Konflikt zu finden. Die EU hat dies auch erkannt und wichtige Beschlüsse in dieser Richtung gefasst. In einer Reihe von Gipfeltreffen wurde beschlossen, dass Zypern bei der nächsten Erweiterung dabei sein wird.
Die konsequente Haltung der Europäischen Union gegenüber Zypern hat zu Ergebnissen geführt. Nachdem die türkische Seite in den vergangenen Jahren bei verschiedenen Verhandlungsrunden nicht bereit war, ernsthaft über die Lösung des Problems zu sprechen, konnten im Dezember 2001 direkte Gespräche zwischen beiden Seiten vereinbart werden.
Anzeichen auf Entspannung
Nach intensiven Direktverhandlungen über das ganze Jahr und nachdem der UN-Generalsekretär, Kofi Annan, sich mehrmals mit dem bisherigen Präsidenten Glafkos Klerides und dem türkisch-zypriotischen Volksgruppenchef, Rauf Denktash, getroffen hatte, haben die Vereinten Nationen am 11. November 2002 einen umfassenden Plan zur Lösung des politischen Problems auf Zypern vorgelegt. Die griechisch-zypriotische und die türkisch-zypriotische Seite haben den Plan grundsätzlich als Verhandlungsgrundlage akzeptiert. Allerdings wurde auch von hochrangigen EU-Offiziellen wiederholt erklärt, dass die Lösung keine Voraussetzung für den Beitritt sei.
Die Zyprioten glauben, dass auch die EU von einem Zypern-Beitritt profitieren wird. Als volles EU-Mitglied wird Zypern Netto-Zahler. Außerdem kann die Insel zu einer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verbindung zwischen der EU und der Region im Nahen Osten und Nordafrika werden. Zypern als die südöstlichste Grenze Europas wird zudem einen wichtigen Beitrag in den Bereichen illegale Einwanderung oder Wirtschaftsflüchtlinge zu leisten haben. Auch der immer noch schwelende Zypern-Konflikt blieb ungelöst. Doch die Zeit wird knapp: Die Vereinten Nationen drängen auf Annahme ihres Planes zur Wiedervereinigung der Insel bis Ende Februar 2003. Die Wahl des Hardliners Tassos Papadopoulos zum neuen Präsidenten der griechisch-zypriotischen Republik am 16. Februar 2003 macht den Prozess nicht einfacher.