Kölner Kardinal wendet sich an Papst Franziskus
11. Dezember 2020Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki soll seine Pflichten als Erzbischof nicht erfüllt haben. Deshalb hat er sich nun an Papst Franziskus gewandt. "Um die gegen mich erhobenen kirchenrechtlichen Vorwürfe zu klären, bitte ich den Heiligen Vater um eine Prüfung in dieser Frage", erklärte Woelki jetzt in Köln.
"Es bleibt dabei: Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt müssen offengelegt werden, unabhängig davon, gegen wen sie erhoben wurden." Dies beziehe auch ihn selbst ein. Sobald eine Prüfung erfolgt sei, werde das Erzbistum dies mitteilen.
Ein Fall aus den 1970er Jahren
Anlass für den Schritt des Kardinals ist der Vorwurf, er habe im Jahr 2015 einen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Fall schweren sexuellen Missbrauchs durch einen Düsseldorfer Priester pflichtwidrig nicht nach Rom gemeldet und keine Voruntersuchung in dem Fall eingeleitet.
Nach Recherchen des "Kölner Stadt-Anzeiger" geht es bei den Vorwürfen um eine Tat aus den späten 1970ern. Das Opfer, damals ein Junge im Kindergartenalter, habe den Missbrauch im Jahr 2010 beim Bistum angezeigt. Woelki habe von den Vorwürfen 2011 erfahren, als er noch Weihbischof war. 2014 wurde er Erzbischof von Köln.
Erzbistum wusste von dem Fall
Nach Sichtung von Personalunterlagen habe er dann 2015 entschieden, dass den Vorwürfen gegen den 1929 geborenen Pfarrer Johannes O. nicht weiter nachgegangen werden solle. Der Erzdiözese waren die Anschuldigungen gegen den Geistlichen bereits vor Woelkis Amtsantritt als Erzbischof bekannt.
Sie erklärte erneut, dass sich der Priester im Jahr 2015 aufgrund seines Gesundheitszustandes "in keiner Weise" zu den Vorwürfen hätte äußern können. Da er unter den Folgen eines zweiten Schlaganfalls sowie einer fortgeschrittenen Demenz gelitten habe, sei eine persönliche Konfrontation nicht möglich gewesen.
Zudem habe der Betroffene gegenüber dem Erzbistum angegeben, "er sehe sich nicht in der Lage, sich weiter zur Sache zu äußern". Folglich sei die Voruntersuchung sowie eine Meldung an die vatikanische Glaubenskongregation unterblieben.
Katholische Laien bestürzt
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, äußerte sich "tief bestürzt" zu den Vertuschungsvorwürfen. "Das Fehlverhalten einzelner Akteure diskreditiert die Ernsthaftigkeit jener, die gute Aufarbeitungsarbeit leisten", sagte Sternberg, der mit Hilfe des sogenannten synodalen Wegs den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche aufzuarbeiten versucht.
Sternberg bekräftigte bereits früher geäußerte Rücktrittsforderungen für den Fall nachweisbarer Verfehlungen. "Die katholischen Gläubigen sind entsetzt über die immer neuen Meldungen von Missbrauch und seiner Vertuschung in ihrer Kirche."
Streit um ein Gutachten Woelkis
Der zurückgetretene Sprecher des Betroffenenbeirats des Erzbistums, Patrick Bauer, zeigte sich "maßlos enttäuscht" von den Geschehnissen in Köln. Die katholische Kirche insgesamt sei "nicht mal mehr ansatzweise in der Lage, adäquat mit dem Missbrauchsskandal umzugehen - die Bischöfe sind nicht in der Lage zur Aufarbeitung, zu einem angemessenen Umgang mit den Betroffenen", kritisierte er im "Kölner Stadt-Anzeiger".
Bauer war im November im Streit um ein Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Köln zurückgetreten. Woelki hält das Gutachten zurück, er gab mittlerweile ein neues in Auftrag, das bis März veröffentlicht werden soll.
uh/haz (afp, kna, dpa)