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Politik

Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus!

14. August 2018

Zu den Lieblingsfeindbildern der deutschen Konservativen gehört traditionell die Linke. Nun hat erstmals ein CDU-Regierungschef das Denken in Kategorien des Kalten Krieges beendet. Endlich, meint Marcel Fürstenau.

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CDU-Länderchef Daniel Günther (l.) arbeitet mit seinem Linken-Kollegen Bodo Ramelow (r.) im Bundesrat schon zusammen
CDU-Länderchef Daniel Günther (l.) arbeitet mit seinem Linken-Kollegen Bodo Ramelow (r.) im Bundesrat schon zusammenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Daniel Günther ist kein kleines Licht mehr, sondern in Windeseile eine ziemlich große Nummer geworden. Der vor wenigen Jahren außerhalb Schleswig-Holsteins noch unbekannte Christdemokrat ist seit 2017 Ministerpräsident des nördlichsten Bundeslandes. Sein Wahlsieg war vielleicht keine Sensation, aber doch eine Überraschung. Dass er problem- und geräuschlos ein Regierungsbündnis mit Freien Demokraten (FDP) und Grünen schmiedete, war auch keine Selbstverständlichkeit. Denn das Verhältnis zwischen FDP und Grünen ist üblicherweise von größtmöglicher gegenseitiger Abneigung geprägt.

Und jetzt hat der äußerlich unauffällig, fast schon bieder erscheinende Günther mit einem Tabu gebrochen, dass auf höchster CDU-Ebene bislang heilig war: Der 45-Jährige plädiert für einen differenzierteren Umgang mit der Linken. Jener Partei, die eine ganz und gar ruhmlose DDR-Vergangenheit hat. Mehr noch: die als sozialistische Staatspartei unter dem Namen SED für Unrecht und Unterdrückung verantwortlich war. Ja, auch das gehört zur Geschichte der Linken, die 2007 durch den Zusammenschluss mit enttäuschten westdeutschen Sozialdemokraten und Gewerkschaftern entstanden ist.

Günther hat Realität beschrieben

Mit dieser inzwischen aber personell und programmatisch runderneuerten Linken könnte sich Schleswig-Holsteins CDU-Regierungschef unter bestimmten Voraussetzungen also eine Zusammenarbeit vorstellen. "Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es auch durch eine Reihe regionaler Kooperationen ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken", sagte Günther in einem Interview mit der "Rheinischen Post". Und obwohl er damit kein Betriebsgeheimnis verriet, sondern die Realität beschrieb, löste er mit seinen Vorstoß in den Chefetagen der Parteien überwiegend die üblichen Reflexe aus: Ablehnung und beißende Kritik. Nicht nur in den eigenen Reihen, leider auch bei den meisten Linken. Zustimmung kommt lediglich von einigen ostdeutschen CDU-Politikern aus er zweiten Reihe. 

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Günther lässt sich davon hoffentlich nicht entmutigen, zumal er keine weltfremden Gedanken geäußert hat. Denn seine Anregung bezieht sich ja nicht etwa auf die Bundesebene, wo CDU und Linke schon wegen der unüberbrückbaren Gegensätze in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht mal im Traum zusammenfinden könnten. Es geht um mögliche Konstellationen auf den Ebenen darunter, einschließlich der Länder. In diesem Zusammenhang sagte Günther: "Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden." 

Linke hat Regierungsfähigkeit bewiesen 

Eine solche Konstellation könnte sich insbesondere in ostdeutschen Bundesländern nach den nächsten Wahlen ergeben, wenn die Alternative für Deutschland (AfD) weiterhin erfolgreich sein sollte. Und mit der latent fremdenfeindlichen Rechtsaußen-Truppe kann sich Günther zum Glück keine Zusammenarbeit vorstellen. Dass die Linke hingegen nach mehreren Häutungen gerade im Osten politisch handlungsfähig ist, stellt sie schon länger unter Beweis.

Aktuell ist sie in drei Bundesländern an der Regierung beteiligt und stellt in Thüringen mit Bodo Ramelow sogar ihren ersten Ministerpräsidenten. Von Weltuntergangsstimmung ist trotzdem nichts zu hören. Mal regieren die Linken besser, mal schlechter - ganz so wie die anderen Parteien, einschließlich der CDU. Für sein eigenes Bundesland kann sich Vordenker Günther mit einer Linken-Liaison im Moment zwar nicht anfreunden. Muss er aber auch nicht, weil die politische Gemengelage eine andere ist als im Osten.

Unkonventionelle Politiker tun gut

Günther ist immerhin beratendes Mitglied des CDU-Präsidiums. "Es wäre gut, auf Scheuklappen zu verzichten", empfiehlt der Querdenker. Davon dürfen sich auch die Strategen im Berliner Konrad-Adenauer-Haus angesprochen fühlen. Die harschen Reaktionen der CDU-Spitze lassen aber leider vermuten, dass sein Vorstoß verpuffen wird - schade! Eines aber hat er immerhin schon erreicht: dass über dieses Thema überhaupt einmal geredet wird. "Der Austausch der Argumente gehört in der Demokratie dazu." Damit spricht Günther eine Selbstverständlichkeit aus, die sich offenbar in seiner Partei noch nicht überall herumgesprochen hat.

"Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen." Noch so ein vermeintlich selbstverständlicher Satz, der aus dem Mund eines hochrangigen CDU-Mannes jedoch immer noch fast nach Verrat klingt. Er sei kein Ideologe, sagt der erfrischend unkonventionelle Politiker. Mehr von seinem Schlage täten der deutschen Politik gut. Nicht nur in Zeiten des aufstrebenden Rechtspopulismus.