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Desaster für die EU

Bernd Riegert13. Juni 2008

Das mehrheitliche "Nein" der rund drei Millionen irischen Wähler zum Reformvertrag der Europäischen Union ist ein politisches Erdbeben, dessen Auswirkungen noch lange zu spüren sein werden, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW
Bernd Riegert

Die EU wird mit der Ablehnung des mühsam ausgehandelten Vertrages von Lissabon ihrer künftigen rechtlichen Grundlage beraubt und taumelt nun in eine schwere Krise. Für die EU-Führung ist dies der größte anzunehmende Unfall. Eine Katastrophe.

EU-Kommissionspräsident Jose Barroso sagte bereits das Ende der Union voraus, so wie wir sie bisher kannten. Nachdem 2005 die weitaus ambitioniertere EU-Verfassung am "Nein" der Franzosen und Niederländer scheiterte, nun also auch der Todesstoß für den neuen EU-Vertrag, der die wachsende Union wieder führbarer machen sollte. Was ist zu tun?

EU ohne Irland?

Sollte man die Iren beim Wort nehmen und Ihnen den Austritt aus der Union nahe legen? Obwohl sie über 30 Jahre so sehr von der Mitgliedschaft und den Finanzhilfen profitiert haben, nun die schnöde Zurückweisung wider alle Vernunft! Das wird mit Recht als undankbar empfunden. Ein Rückzug aus der Union, zu dem Irland nicht gezwungen werden könnte, wäre ein konsequenter Schritt. Doch soweit wird es wohl nicht kommen.

Den irischen Wählern, die nun Dampf abgelassen haben, den gleichen Vertragstext noch einmal zur Abstimmung vorzulegen, kommt wohl nicht in Frage. So war man 2001 beim abgelehnten Vertrag von Nizza verfahren. Den Iren ein paar Sonderklauseln in den Vertrag zu schreiben, geht nicht. Denn dann müsste das Ratifizierungsverfahren in den 14 Staaten, die den Vertrag von Lissabon angenommen haben, wiederholt werden. Das will niemand.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass das ganze Projekt auf Eis gelegt und in einigen Jahren noch einmal angepackt wird. Krise und Lähmung werden der Dauerzustand in der EU, die damit auf dem globalen Parkett keine gute Figur abgeben wird. Bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament werden wahrscheinlich noch mehr EU-Gegner in die Vertretung der Völker gelangen.

Beitrittskandidaten müssen warten

Bittere Konsequenzen hat das "Nein" aus Irland für Kroatien, die übrigen Balkanstaaten und die Türkei, die alle Mitglieder werden wollen. Neue Aufnahmen in die EU wird es auf Grundlage des weiter geltenden Vertrages von Nizza nicht geben. Wie soll der Reformdruck in den Beitrittsstaaten aufrecht gehalten werden? Das Drama um die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages zeigt, dass die EU mit 27 Staaten, die alle ein Vetorecht besitzen, und fast 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die von kleinen Minderheiten bestimmt werden können, an die Grenze ihrer Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gelangt ist.

Trotz der schweren Krise darf die EU allerdings nicht auseinanderbrechen. Dieses einmalige und in der Welt einzigartige Friedens-, Integrations- und Wirtschaftsprojekt darf auf lange Sicht nicht scheitern, auch wenn es den Bürgerinnen und Bürger mehr und mehr gleichgültig zu sein scheint.