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Kommentar: Erdogans gefährliches Manöver

Baha Güngör13. Juni 2013

Mit der Ankündigung eines Referendums tut sich Recep Erdogan keinen Gefallen, meint DW-Redakteur Baha Güngör in seinem Kommentar. Eher könnte es die gesamte Situation in Istanbul noch verschlimmern.

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Mit seiner Idee eines Referendums im Zusammenhang mit dem Schicksal des Gezi-Parks riskiert der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein ziemliches Eigentor. Sein Versuch, die Stimmberechtigten im Istanbuler Stadtbezirk Beyoglu, in dem sich der Park am zentralen Taksim-Platz befindet, vor die Wahl zu stellen, ob der Park bleiben soll oder nicht, ist ein sehr gefährliches Manöver.

Baha Güngör, Leiter der Türkischen Redaktion der DW
Baha Güngör, Leiter der Türkischen Redaktion der DW

Erdogan versucht, zusammen mit den Umweltschützern und Menschenrechtsaktivisten auch die türkische Justiz vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dabei ist es - wegen der dramatischen Auseinandersetzungen in Istanbul - der breiten Aufmerksamkeit entgangen, dass das Istanbuler Verwaltungsgericht bereits Ende Mai und somit vor Beginn der Großdemonstrationen eine einstweilige Anordnung gegen das Bauprojekt im Gezi-Park verfügt hatte.

Widerstand der Gegner brechen

Ein Referendum zu diesem Zeitpunkt ins Spiel zu bringen, zeigt, dass Erdogan den Widerstand seiner politischen Gegner um jeden Preis brechen will. Dabei berücksichtigt er nicht, dass eine Volksabstimmung pro oder kontra die Spaltung in der türkischen Bevölkerung zu vertiefen droht. Mit den Mitteln des ihm ergebenen Staatsapparats kann es keine Zweifel daran geben, dass ein Referendum in seinem Sinne ausgehen wird. Deshalb forderte Erdogan erfolgssicher dazu auf, entweder "Ja" zum Referendum oder "Ja" zur Einebnung des Gezi-Parks zu sagen.

Trotz vieler internationaler Appelle rückt Erdogan von seiner Position nicht ab. Die Lehren aus den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen scheint er nicht ziehen zu wollen. Auch wenn sein letzter Wahlsieg vor zwei Jahren mit fast 50 Prozent der Stimmen unumstritten ist, bleibt er den Beweis schuldig, dass er auch diejenigen Oppositionslager berücksichtigt, die ihm die Stimme verweigert haben.

Kein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen

In Europa mehren sich die Stimmen, die Erdogan zur Vernunft und zur Umkehr seiner Politik auffordern. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es in Deutschland ebenso wie in der EU eine starke Befürwortung der Fortsetzung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Das ist auch richtig so und sehr wichtig. Es wäre nämlich fatal, zu diesem Zeitpunkt die Beitrittsverhandlungen abzubrechen. Andernfalls würde Europa diejenigen demokratischen Kräfte in der Türkei sehr schwächen, die Erdogan noch die Stirn bieten.

Erdogans politischer Ziehvater ist der frühere islamistische Führer und Ex-Premier Necmettin Erbakan. Er hatte in den 90er Jahren wiederholt gesagt, das System in der Türkei werde verändert. Die Frage sei nur, ob das "blutig oder unblutig" über die Bühne gehen werde. Von Erbakan stammt auch das Zitat, "lieber Führungsnation in der islamischen Welt zu sein, als Schlusslicht in Europa". Mit seiner Aussage, er werde keine einzige Entscheidung des Europaparlaments akzeptieren und anerkennen, zeigt Erdogan einmal mehr, dass er die vorgegebenen Ziele Erbakans weiterhin entschlossen verfolgt.