Kenia: Jung, weiblich, Terroristin
13. September 2016Weiblicher Terror in Kenia - das hat es bisher noch nicht gegeben. Am Sonntag betraten drei Frauen eine Polizeistation in Mombasa unter dem Vorwand, einen Telefondiebstahl melden zu wollen. "Während sie befragt wurde, zog eine Frau ein Messer, eine andere warf eine Brandbombe auf die Polizisten", sagte der lokale Polizeichef Parterson Maelo Reportern. Seine Kollegen erschossen die Angreiferinnen. Zwei Beamte wurden mit Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Zwei Tage nach dem Anschlag in der ostafrikanischen Küstenstadt Mombasa erschienen heute drei mutmaßliche Komplizinnen der Attentäterinnen vor Gericht.
Wer steckt hinter dem Angriff?
Bislang ist nicht klar, in wessen Auftrag die Frauen gehandelt haben. Die somalische Al-Shabaab-Miliz hat in der Vergangenheit ähnliche Angriffe in Kenia verübt, wenn auch ohne weibliche Attentäterinnen. Laut einem Bericht der ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD hat Al-Shabaab in den vergangenen fünf Jahren jedoch verstärkt Frauen und Mädchen rekrutiert. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betont Stig Jarle Hansen, Experte für Islamismus am Horn von Afrika an der Harvard University, dass innerhalb Somalias Frauen bisher eine hintergründige Rolle bei den Anschlägen der Miliz gespielt haben. Außerhalb Somalias sei dies jedoch anders: "Wenn man nach Kenia und Tansania schaut, dann haben Frauen ein stärkeres Profil."
Es gibt sogar ein tansanisches Magazin für Dschihadistinnen. In den Artikeln von "Al-Ghuraba" steht, wie sich eine weibliche Unterstützerin der Dschihadisten zu verhalten hat. Es geht darum, "wie man sich kleidet und wie man logistische Hilfe leistet", sagt Hansen.
"Eine neue Form des Extremismus"
In Ostafrika setzt Al-Shabaab zudem gezielt Frauen ein, um neue Mitglieder aus der Diaspora zu rekrutieren. Die Medizinstudentin Umu Elkhyr Sadri Abdulah aus Tansania hatte versucht, durch soziale Netzwerke Frauen für Al-Shabaab zu gewinnen. Sie wurde im März 2015 in der kenianischen Stadt Mandera zusammen mit zwei Kenianerinnen festgenommen, mit denen sie auf dem Weg nach Somalia gewesen war.
Zureiya Mohammed, eine muslimische Menschenrechtsaktivistin in Mombasa, sieht in dem aktuellen Angriff einen Kurswechsel, der auf eine neue Form des Extremismus in Kenia hindeute: "In den vergangenen Jahren haben wir uns mit dem Terrorismus-Problem beschäftigt und auf internationaler Ebene wissen wir, dass Frauen dabei eine wichtige Rolle spielen. Leider ist dieses Problem jetzt auch bei uns angekommen."
Lokal wird zu global
Kenias Erfahrungen mit Terrorattacken haben seit 2011 drastisch zugenommen. Als Zeichen des Widerstands gegen die kenianischen Truppen, die im Rahmen der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) seit 2011 gegen Al-Shabaab kämpfen, hat die Miliz in Kenia für eine Reihe von blutigen Angriffen gesorgt. Zu den bislang verheerendsten Attacken zählen der Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im Jahr 2013 mit 67 Toten und der Angriff auf die Universität in Garissa im Jahr 2014, bei dem 148 Menschen erschossen wurden.
Die militante islamistische Al-Shabaab-Bewegung ging als Splittergruppe aus der Union islamischer Gerichte hervor, die 2006 Mogadischu kontrollierte, bevor sie von äthiopischen Truppen entmachtet wurde. Die Miliz kontrolliert Teile Südsomalias und will seine Herrschaft auf ganz Somalia ausweiten.
2012 schwor Al-Shabaab Al-Qaida die Gefolgschaft und rekrutiert auch auf globaler Ebene. Besonders in Kenia, Tansania und Uganda hat die Organisation neue Anhänger angeworben - ihr Fokus liegt dabei auf jungen Erwachsenen und Frauen.
Terror schreckt Touristen ab
Die kenianische Wirtschaft hat stark unter den Attacken von Al-Shabaab gelitten, insbesondere die Tourismusindustrie. Der kenianischen Tourismuszentrale zufolge besuchten im Jahr 2014 rund 380.000 Menschen das ostafrikanische Land, 2015 waren es nur noch rund 284.000. Laut Hansen will die Miliz Kenia dort treffen, wo es am meisten weh tut: "Al-Shabaab versucht, ein generelles Gefühl der Unsicherheit zu kreieren, das die Tourismusindustrie trifft, die so wichtig für die Kenianer ist."