Vom gescheiterten Staat zu freien Wahlen?
9. März 2016Eine Autobombe riss am Mittwoch in der somalischen Hauptstadt Mogadischu mindestens fünf Menschen in den Tod - der jüngste Gewaltakt der islamistischen Al-Shabaab. Der Anschlag könnte die Antwort auf die jüngsten militärische Erfolge gegen die Terrormiliz sein. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch griffen Helikopter internationaler Truppen einen Al-Shabaab-Stützpunkt in der Nähe von Mogadischu an. Mehrere Kämpfer seien lokalen Quellen zufolge dabei getötet worden.
Nur zwei Tage zuvor machte die australische Marine auf einem Fischerboot einen brisanten Fund: 2000 AK-47 Maschinengewehre, 100 Granatenwerfer und andere schwere Waffen im Wert von zwei Millionen US-Dollar. Das Boot war auf dem Weg nach Somalia. Zwar ist bislang unklar, wer der Empfänger sein sollte - vermutlich waren es Waffen für den Terror.
Am Samstag hatten die US-amerikanischen Streitkräfte ein Trainingscamp von Al-Shabaab knapp 200 Kilometer nördlich von Mogadischu angegriffen. Washington meldete etwa 150 getötete Kämpfer. Al-Shabaab Kommandeur Sheik Ibrahim Abu-Ahmed gab hingegen an, die Zahl sei weit niedriger.
Ohne AMISOM geht es nicht
Klar ist: Somalia versucht vergebens, dem Terror Herr zu werden. Daran können auch US-amerikanische Drohnen und die AMISOM-Truppen der Afrikanischen Union (AU) nichts ändern.
Dennoch: "Ohne die Mission der Afrikanischen Union hätte es Somalia nicht geschafft, den Bürgerkrieg zu stoppen, mit dem Wiederaufbau zu beginnen und hätte heute keine Regierung", sagt Ahmed Soliman von der Londoner Denkfabrik Chatham House. "Solche militärischen Interventionen sind nötig. Aber genauso wichtig ist es, dass die Regierung sich noch mehr bemüht, der Radikalisierung von Al-Shabaab-Kämpfern entgegenzuwirken."
Somalias Präsident Hassan Sheikh Mahamoud ist seit 2012 im Amt. Im August dieses Jahres soll die nächste Präsidentschaftswahl stattfinden. Die Hoffnungen sind groß, dass die Wahl einen Beitrag zum Frieden und Staatsaufbau leistet.
Wahlen: Ja, aber wie?
Das wird aber nicht einfach. Seit dem Kollaps des Zentralstaats (1991) tobt zwischen verschiedenen Klans ein erbarmungsloser Kampf um die politische und wirtschaftliche Macht in Somalia. "Es herrscht immer noch große Uneinigkeit darüber, wie Somalias politisches System aussehen soll", sagt Cedric Barnes, Projektleiter bei der International Crisis Group (ICG) in Nairobi, im DW-Gespräch.
Erschwerend käme hinzu, dass in Somalia seit 2012 eine provisorische Verfassung gilt. Ihr Inhalt sorgt für viel Diskussionsstoff zwischen der Zentralregierung und den regionalen Verwaltungen. Dabei geht es zum Beispiel um die territorialen Grenzen möglicher Bundesländer. Seit 2012, als Somalia offiziell eine Bundesrepublik wurde, stockt die Aufteilung der Staatsfläche in föderale Bundesländer. Bis dato ist Puntland der einzige seriöse Bundesland-Anwärter, während Somaliland, das sich 1991 einseitig als unabhängig erklärte, eine Rückkehr in eine künftige Föderation ablehnt. Zwei weitere Anwärter sind Jubaland und Southwest. Vor der Wahl soll ein Verfassungsreferendum stattfinden.
Fördern Wahlen politische Turbulenzen?
Soliman vom Chatham House beobachtet Schritte in die richtige Richtung: "Im Februar haben wir einen Plan der Regierung gesehen, der für künftige Wahlen jedem Bürger eine Stimme erlauben will", so Salimon. Deshalb könne man auf repräsentativere Wahlen blicken. In der Vergangenheit hatten Klan-Chefs die Parlamentsmitglieder ernannt.
Dominik Balthasar vom Statehood & Conflict Programm der Schweizer Friedensstiftung Swisspeace ist pessimistischer. Die Mängel in der vorläufigen Verfassung und der stockende Prozess, weitere Bundesländer aufzunehmen, machten freie und faire Wahlen sehr unwahrscheinlich, schreibt er in einer Analyse von Dezember 2015. Wenn Wahlen stattfänden, sei ebenso möglich, dass sie erneut politische Turbulenzen auslösten. Selbst ohne Al-Shabaab seien die politischen Spannungen und die soziale Spaltung in der Bevölkerung zu groß.
Bislang verwaltet die Regierung das Staatsgebiet nur bruchstückhaft. Trotz der AU-Mission ist Al-Shabaab nach wie vor in den ländlichen Gebieten von Juba, Bay, Shabelle und Bakool sehr stark. Die Miliz infiltriert zudem das Grenzgebiet von Puntland und Somaliland. Die radikalen Islamisten mussten zwar von 2012 bis 2014 einige militärische Rückschläge hinnehmen und Territorien aufgeben, dennoch verüben sie seit Februar 2012 regelmäßig Terroranschläge im In- und Ausland. Al-Shabaab bleibt damit eine unmittelbare Bedrohung.
Mit Al-Shabaab verhandeln?
Vor kurzem hat sich die Exil-Somalierin Fadumo Dayib als Präsidentschaftskandidatin angekündigt. Obwohl ihre Chancen als externe Kandidatin und als Frau gering sind, hat sie große Pläne für das Land. Im Interview sagte sie der DW, als Präsidentin würde sie Al-Shabaab an den Verhandlungstisch holen. Die Terrorgruppe zu bekriegen, habe bislang nicht funktioniert.
"Das ist eine interessante Idee", sagt Barnes von der Crisis Group. "Es gibt durchaus moderate Führungspersonen bei Al-Shabaab, die in die Politik integriert werden können." Es habe zwar bereits solche Versuche gegeben, die seien aber immer ins Leere gelaufen.