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Politik

Jüdin gemobbt: Landesweite Entrüstung

Daniel Heinrich
27. März 2018

Das Mobbing eines jüdischen Mädchens durch muslimische Mitschüler in Berlin hat starke Reaktionen hervorgerufen. Auch der Zentralrat der Juden fordert Gegenmaßnahmen. Vor allem muslimische Verbände seien in der Pflicht.

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Deutschland Kundgebung gegen Antisemitismus
Bild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Josef Schuster ist eigentlich ein beherrschter Mann. Der 64-Jährige ist der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Umgang mit der Presse wirkt er sehr oft abgeklärt. Der vorliegende Fall macht allerdings auch den promovierten Internisten fassungslos. An einer Berliner Grundschule war ein jüdisches Mädchen monatelang von muslimischen Mitschülern gemobbt worden. Im Gespräch mit der Deutschen Welle schiebt Schuster vor allem dem Umfeld der Täter die Schuld zu:

"Über eines müssen wir uns klar sein. Kein Kind und kein Jugendlicher wird als Antisemit geboren. Das heißt, diese Thesen müssen Kinder und Jugendliche irgendwo herhaben." Im Regelfall sei dies das Elternhaus, beziehungsweise es seien Moscheegemeinden, wo die muslimischen Jungen und Mädchen auch nicht alleine hingingen. Dort, so Schuster, würden sie dann entsprechende Predigten von bestimmten Imamen hören. "Diese Imame haben offensichtlich das, was wir als gesellschaftlichen Konsens und gesellschaftliche Werte betrachten, nicht verstanden, oder wollen es bewusst nicht verstehen."

Dr. Josef Schuster
Josef Schuster: Muslimische Verbände in der PflichtBild: Imago

Es ist nicht der einzige Vorfall mit ähnlichem Hintergrund in den vergangenen Monaten. Laut der Anti-Diskriminierungsstelle in Berlin wurden alleine in der deutschen Hauptstadt im Jahr 2017 schichtenübergreifend zwölf antisemitische Vorfälle gemeldet.

Muslimische Verbände in der Pflicht

Es gibt keine offiziellen Statistiken zur Religionszugehörigkeit der Täter. Dennoch sieht Schuster vor allem die muslimischen Verbände in der Pflicht, "um hier Abhilfe zu schaffen, dass die Werte in Moscheegemeinden auch gepredigt werden, die wir als Grundkonsens des Zusammenlebens in Deutschland kennen. Wer dazu als Imam nicht bereit ist, hat seine Tätigkeitsmöglichkeit in Deutschland absolut verwirkt."      

Bei einigen muslimischen Verbänden scheint dieser Appell anzukommen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, reagiert per Twitter auf die Worte Schusters. Dort kündigte er als Sofortmaßnahme an, dass zehn Imame "vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen und für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung aus ihren religiösen Selbstverständnis werben".

Druck auf offizielle Stellen wächst

Auch Wenzel Michalski springt Josef Schuster zur Seite. Michalski ist der Direktor von Human Rights Watch in Deutschland. Sein Sohn war im vergangenen Jahr an einer Schule gemobbt worden, weil er Jude ist. Michalski kritisiert insbesondere die Reaktion offizieller Stellen. Die Behörden würden nur "den Kopf in den Sand stecken", moniert er via Twitter.

Michalski ist mit seiner Kritik nicht alleine. Auch Christine Lüders dringt energisch darauf, Maßnahmen für eine wirksame Antidiskriminierungspolitik im Bildungsbereich zu ergreifen. Da Bildungspolitik in Deutschland in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, nimmt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, insbesondere die Länder in die Pflicht. Lüders fordert unabhängige Beschwerdestellen in allen Bundesländern zu schaffen: Diese sollten "in Diskriminierungsfällen ermitteln und den Bildungsverwaltungen konkrete Sanktionen empfehlen können. Antisemitisches Mobbing und andere Diskriminierungen dürfen nicht als 'Streitigkeit' verharmlost werden."

Antisemitismusbeauftragter gefordert

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßt diese ersten Schritte. Für Schuster ist Eile geboten: Von Berlin bis zum Ruhrgebiet seien in den vergangenen Wochen und Monaten Themen der Islamisierung und Radikalisierung von Jugendlichen deutlicher geworden. Nicht nur Juden seien in Gefahr: "Offensichtlich sind gerade in muslimischen Kreisen speziell Juden im Blickfeld. Als Nicht-Jude sollte man sich allerdings nicht glücklich schätzen oder entspannt zurücklehnen. Ich habe die Sorge, dass auch andere Minderheiten sehr schnell ins Fadenkreuz geraten könnten."

Deutschland Demonstranten verbrennen Fahne mit Davidstern in Berlin
Berlin: Pro-palästinensische Demonstranten verbrennen 2017 Fahnen mit dem Davidstern, Symbol des JudentumsBild: picture alliance/dpa/Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V.

Schuster hofft insbesondere auf die "Installierung eines Antisemitismusbeauftragten" und verweist explizit auf den Antisemitismusbericht des Deutschen Bundestages. Der Bericht, der von einer ganzen Reihe namhafter Wissenschaftler im vergangenen Jahr vorgestellt wurde, fordert unter anderem die Berufung eines solchen Beauftragten. Dieser solle im Bundeskanzleramt angesiedelt werden und "als Teil der Verwaltung die Maßnahmen der Antisemitismusbekämpfung und -prävention ressortübergreifend koordinieren".