Hatun Sürücüs Brüder in der Türkei angeklagt
26. Juli 2015Viele Menschen waren erschüttert, als die junge Berlinerin Hatun Sürücü im Februar 2005 erschossen wurde - von ihrem jüngsten Bruder. Sie wollte sich nicht den Traditionen ihrer Familie beugen. Zwei ihrer Geschwister sollen nun vor Gericht kommen: In der Türkei wurden sie wegen Mordes angeklagt.
Berlins Justizsenator Thomas Heilmann sei vom Bundesamt für Justiz über den Schritt der türkischen Behörden informiert worden, sagte seine Sprecherin. "Dass nun in der Türkei Anklage erhoben wurde, ist ein wichtiges Signal: Man kann sich durch Flucht nicht der Strafverfolgung entziehen", betonte der CDU-Politiker. Die Berliner Justiz habe den türkischen Behörden alle Unterlagen zu dem Fall zur Verfügung gestellt. Zuerst hatte die "Bild am Sonntag" über die Anklage berichtet.
Ein Mord, der Deutschland erschütterte
Hatun Sürücü wurde am 7. Februar 2005 in Berlin von ihrem jüngsten Bruder erschossen, weil die Familie den westlichen Lebensstil der 23-Jährigen nicht akzeptierte. Hatun Sürücü wurde von drei Kopfschüssen getroffen. Der sogenannte Ehrenmord hatte Deutschland erschüttert und eine Debatte über Integration und Parallelgesellschaften ausgelöst.
Wegen des Mordes verurteilte das Berliner Landgericht im April 2006 nur den jüngsten Bruder Ayhan zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten. Der Todesschütze wurde im Sommer 2014 nach verbüßter Haft nach Istanbul abgeschoben.
Die beiden anderen, jetzt angeklagten Brüder waren seit Jahren international zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem sie sich in die Türkei abgesetzt hatten. Beide waren 2006 in einem ersten Prozess in Berlin aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hatte die Freisprüche 2007 aufgehoben. Zu einem neuen Verfahren kam es aber wegen ihrer Flucht nicht mehr. Die türkische Seite hatte 2013 ein eigenes Strafverfahren gegen die beiden Männer eingeleitet. Die Türkei liefert ihre Staatsbürger nicht aus.
Hatun Sürücü hatte sich nach einer Zwangsehe von ihrem ersten Mann getrennt, das Kopftuch abgelegt und ihren Sohn in Berlin allein aufgezogen. Sie feierte Partys und machte eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin. Laut "Bild am Sonntag" erhob die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul am 10. März Anklage vor dem 10. Schwurgericht der Stadt wegen Mordes zum Nachteil eines Familienangehörigen. Wann der Prozess beginnt, ist noch unklar.
stu/qu (afp, dpa)