Fall Edathy wird zum Politkrimi
14. Februar 2014Der Fall Edathy, der so harmlos mit dem Rückzug eines niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten "aus gesundheitlichen Gründen" begann, könnte sich zum politischen Skandal auswachsen: Die Spitze der Sozialdemokraten und Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) müssen sich gegen Vorwürfe wehren, die Arbeit der Ermittler behindert zu haben.
Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hannover prüfen die Einleitung förmlicher Ermittlungen gegen den CSU-Politiker. Möglicherweise könne ein Fall von Geheimnisverrat vorliegen, sagte Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne).
Rücktrittsforderungen werden lauter
Inzwischen wird der Rücktritt von Friedrich, der im Oktober 2013 noch Bundesinnenminister war, gefordert. "Ein Bundesminister, der Dienstgeheimnisse verrät, ist nicht tragbar. Wenn er nicht zurücktritt, muss die Bundeskanzlerin ihn entlassen", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Linksparteichef Bernd Riexinger sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Er ist politisch als Mitglied der Bundesregierung nicht mehr tragbar." Auch die Grünen verlangen den sofortigen Rücktritt des Ministers. "Er hat sein Amt für parteitaktische Kumpanei benutzt, dieses Verhalten ist für ein Mitglied der Bundesregierung völlig inakzeptabel", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
Hintergrund ist, dass Friedrich im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber in Kenntnis setzte, dass Edathys Name bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei - nach jetziger Kenntnis im Zusammenhang mit Kinderpornografie. Von Gabriel aus bahnte sich die brisante Information ihren Weg zu weiteren SPD-Spitzenpolitikern, darunter Außenminister Frank-Walter Steinmeier (damals SPD-Fraktionschef) und Thomas Oppermann, der jetzige Fraktionsvorsitzende. Auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius wurde frühzeitig über Ermittlungen gegen seinen Parteifreund Edathy unterrichtet, wie ein Ministeriumssprecher einräumte.
Undichte Quellen?
Bescheid gewusst haben sollen angeblich auch alle 16 Landeskriminalämter. Wie die "Leipziger Volkszeitung" aus Regierungs- und Ermittlungskreisen in Berlin erfahren haben will, wurden die Hinweise zum Fall Edathy "im gleichen Umfang" vom Bundeskriminalamt an das Bundesinnenministerium und die Landeskriminalämter übermittelt. Insofern sei die potenzielle Bandbreite undichter Quellen und möglicher frühzeitiger Informationsweitergaben an Edathy "relativ breit", heißt es.
Bei der Durchsuchung von Edathys Wohnungen und Büros stellten Ermittler laut übereinstimmenden Medienberichten fest, dass bei Computern Festplatten manipuliert oder gelöscht wurden. Ein Ermittler sagte der "Bild"-Zeitung: "Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet." Wie der Norddeutsche Rundfunk und die "Süddeutsche Zeitung" melden, waren bis auf einen intakten Computer alle anderen Rechner entfernt worden. Auch seien Reste zerstörter Festplatten gefunden worden.
"Existenz vernichtet"?
Edathy hatte sich als Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses zu den Morden der rechtsextremen Terrorgruppe NSU einen Namen gemacht. Nach mehr als 15 Jahren im Bundestag legte er am vergangenen Freitag überraschend sein Mandat nieder, kurz darauf wurden die schweren Vorwürfe gegen ihn öffentlich bekannt. In einer Erklärung betonte der 44-Jährige: "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr." Ein strafbares Verhalten liege nicht vor, versicherte Edathy. Unbestätigten Informationen zufolge hält er sich derzeit in Dänemark auf. Nach Angaben des früheren niedersächsischen Innenministers Heiner Bartling (SPD), der Kontakt mit Edathy hatte, schrieb dieser zuletzt in einer SMS: "Man hat eine Existenz vernichtet."
wa/se (dpa, afp, rtr)