EU verstärkt Spar-Druck auf Griechenland
7. Juni 2011"Ich habe viel Sympathie für das griechische Volk - aber Ihr könnt keine Solidarität erwarten, wenn Ihr nicht selbst miteinander zurande kommt", sagte Jean-Claude Juncker, der Chef der Eurogruppe, vor dem Währungsausschuss des Europaparlaments in Straßburg. Regierung und Opposition müssten an einem Strang ziehen. "Ohne Konsens in Griechenland wird es keine Lösung geben", warnte Juncker, der zugleich luxemburgischer Regierungschef ist.
"Warum nicht auch in Griechenland?"
EU-Währungskommissar Olli Rehn verwies auf das Beispiel von Irland und Portugal, die ebenfalls die Hilfe der EU in Anspruch genommen hatten. In beiden Ländern habe es einen "nationalen Konsens" zur Sanierung der Haushalte gegeben. "Warum nicht auch in Griechenland?", fragte Rehn. Um das "griechische Finanzdilemma" zu lösen, seien aber "sehr schwierige Entscheidungen" nötig. Erforderlich sei es, Griechenland "auf Reformkurs zu halten". Er hoffe, dass in absehbarer Zeit ein Ende der Krise in Sicht sein werde.
Juncker bekräftigte die Forderung, auch den privaten Sektor an der Beilegung der griechischen Finanzkrise zu beteiligen. Sollte dies nicht geschehen, werde es "schwierig" werden, die Zustimmung einiger EU-Staaten für neue Finanzhilfen zu gewinnen. Vor allem Deutschland knüpft eventuelle weitere staatliche Finanzhilfen für Griechenland an die Beteiligung privater Gläubiger.
Appelle aus Athen
Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou hat die Warnungen der EU offensichtlich verstanden: Die Existenz der griechischen Nation hänge von der Einwilligung aller Kräfte in die Umsetzung der nötigen Reformen ab, sagte er bei einer Sondersitzung des Ministerrates in Athen. Gleichzeitig übte er Selbstkritik. Er habe sich zu lange damit beschäftigt, Lösungswege zu finden und zu verhandeln, "um das Land vor dem Bankrott zu retten", meinte Papandreou. Seine Rede vor dem Ministerrat, der mehr als sieben Stunden lang tagte, wurde am Montagabend schriftlich an die Presse verteilt.
Papandreou schloss nicht aus, die Griechen in einer Volksabstimmung zu den geplanten Reformen zu befragen. "Unsere Partner (in der EU) sind bereit zu helfen", sagte Papandreou weiter. Sie müssten aber sehen, dass auch die Griechen entschlossen seien. Das griechische Kabinett beriet am Montag über zusätzliche Kürzungen von 6,4 Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Verstärkt angegangen werden solle auch der weit verbreitete Betrug an den Rentenkassen, kündigte Arbeitsministerin Louka Katseli an. So werde allein für 4500 inzwischen verstorbene Beschäftigte im öffentlichen Dienst noch immer Rente gezahlt, berichtete die Ministerin. Zudem treibt die Regierung den Verkauf von Staatseigentum voran. Die Deutsche Telekom übernahm weitere zehn Prozent der Aktien am Telekommunikations-Unternehmen OTE und zahlt dafür etwa 400 Millionen Euro. Der Bonner Konzern hält nun 40 Prozent an OTE.
Die Stunde der Wahrheit
Bei einer Sitzung in Straßburg an diesem Dienstag (07.06.2011) will die Europäische Kommission die Sparanstrengungen der EU-Mitgliedstaaten beurteilen. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso dürfte in deutlichen Worten viele Regierungen zu mehr Reformen anhalten. Die Beurteilung der Sparpläne ist Teil der verstärkten Haushaltsüberwachung der EU, die Finanzturbulenzen à la Griechenland künftig verhindern soll.
Im ebenfalls pleitebedrohten Portugal versicherte der designierte Regierungschef Pedro Passos Coelho, er wolle sein Land konsequent auf Sparkurs führen. Er sehe sich "absolut verpflichtet", die Auflagen des 78 Milliarden Euro schweren Rettungspakets einzuhalten. "Ich denke, wir sind sogar für eine Überraschung gut und könnten über das Vereinbarte hinausgehen."
Passos Coelhos konservative PSD hatte die vorgezogene Neuwahl am Sonntag klar gewonnen und steht nun vor der Mammutaufgabe, inmitten der Schuldenkrise den Staatshaushalt zu sanieren. Die Wähler straften den noch amtierenden Ministerpräsidenten Jose Socrates ab, dessen Sozialisten sechs Jahre an der Macht waren. Im März war Socrates mit seiner Minderheitsregierung daran gescheitert, weitere Sparauflagen im Parlament durchzusetzen.
Deutschland steht im Vergleich zu vielen Partnern in Europa gut da - im laufenden Jahr geht die EU von einem Wirtschaftswachstum um 2,6 Prozent in der Bundesrepublik aus. Das deutsche Haushaltsdefizit dürfte mit 2,0 Prozent die im EU-Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erheblich unterschreiten.
Autor: Christian Walz (afp, dpa, rtr, dapd)
Redaktion: Frank Wörner