Griechenland ist noch lange nicht über den Berg
3. Juni 2011Der Prüfbericht der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungfonds zur Haushaltssanierung in Griechenland ist schon seit Wochen überfällig. Das ist kein Zufall. Erst kamen die Prüfer mit den chaotischen Angaben aus dem Athener Finanzministerium nicht zurecht, dann taten sich immer neue Lücken auf, die mühsamst wegverhandelt werden mussten.
Nur nach der Drohung des IWF, überhaupt keine Kredite mehr zu gewähren, und nach einer erneuten Abwertung durch eine Ratingagentur hat sich die griechische Regierung bewegt. Sie verspricht neue Anstrengungen, um noch mehr Geld im Staatshaushalt einzusparen und die Verschuldung zu senken. Außerdem will sie nun ernsthaft ihr Tafelsilber, sprich staatliche Firmen verscherbeln. Dann musste der griechische Ministerpräsident, während zuhause das Finanzministerium von Demonstranten besetzt wurde, in Luxemburg antreten und dem ungekrönten König der 17 Euro-Länder, Jean Claude Juncker, in die Hand versprechen, diesmal Reformen wirklich entschlossen anzupacken.
Die nächste Rate ist auch keine Lösung
Jetzt ist wohl ausgemacht, dass Griechenland weitere 12 Milliarden Euro aus dem 110 Milliarden umfassenden Rettungsschirm erhalten wird. Die nächste Klippe fälliger Kredite kann so umschifft werden. Der Europäischen Union und wohl auch dem IWF blieb am Ende nichts anderes übrig, als das Geld locker zu machen. Denn würden die beiden Institutionen nicht einspringen, dann wäre Griechenland zahlungsunfähig. Die Folgen einer ungeordneten Staatspleite wären nicht vernünftig zu kalkulieren.
Das weiß natürlich auch der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou ganz genau. Er konnte gewiss sein, dass ihn die übrigen Euro-Staaten aus eigenem Interesse am Ende nicht hängen lassen würden. Allerdings muss Papandreou die neuen Sparbeschlüsse noch vor dem EU-Gipfel in drei Wochen durchs heimische Parlament bringen und einen Generalstreik überstehen. Ob ihm das gelingen wird, ist nicht sicher.
Zweiter Rettungsschirm in Arbeit
Deutlich wird, dass die Hängepartien zwischen den Fälligkeitsterminen von Staatsanleihen kein wirkliches Konzept zur Sanierung Griechenlands sind. Man schleppt sich so durch, ohne Strategie und Weitsicht. Deshalb musste im Hintergrund auch schon der nächste Rettungsschirm ausgebreitet werden, weil sich das Land im kommenden Jahr nicht wie geplant am privaten Finanzmarkt wird refinanzieren können. Um die 60 Milliarden Euro an Notkrediten werden benötigt, zusätzlich zu den bereits eingeplanten 110 Milliarden Euro. Wie die privaten Gläubiger an diesem Rettungsschirm "Griechenland II" beteiligt werden sollen, ist unklar.
Griechenland entwickelt sich immer mehr zu dem sprichwörtlichen Fass ohne Boden, in das man Geld hineinwirft, ohne dass es offenbar eine Wirkung hat. Immer neue Sparprogramme würgen die Wirtschaft ab. Das Land könnte in soziale Unruhen schlittern, eine Kapitalflucht hat längst eingesetzt. Das Schlimme ist, dass nach diesem Rezept nun auch Irland und Portugal auf den Weg der Schulden-Tugend zurückgeführt werden sollen. Zu befürchten ist, dass sich diese beiden Länder ebenso zu Dauerpatienten entwickeln, auch wenn die Lage gemessen an der Gesamtverschuldung weder in Portugal noch in Irland so schlimm ist wie in Griechenland.
Schulden können nicht zurückgezahlt werden
So klammert sich die EU mit dem Mut der Verzweiflung an die Hoffnung, dass die untauglichen Rezepte irgendwann schon eine Wirkung haben werden. Doch die meisten Fachleute gehen davon aus, dass Griechenland die angehäuften Schulden nie wird zurückzahlen können. Eine Umschuldung, sanft oder hart, oder eine steigende Inflation, eine Geldentwertung für alle - diese Schritte werden immer wahrscheinlicher. Die Frage ist nur: Wann?
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Marko Langer