Mali: Missbrauch bleibt unaufgeklärt
31. August 2021Es war ein großer Erfolg: Im August 2021 erreichte Mali als erstes afrikanisches Team das Halbfinale der U19-Frauen-Basketball-Weltmeisterschaft in Debrecen (Ungarn). Doch der Triumph wurde dadurch getrübt, dass die Mannschaft im Vorfeld des Turniers von einem Skandal um sexuellen Missbrauch erschüttert wurde. Die Untersuchung der Vorgänge durch den Internationalen Basketballverband FIBA kommt, wenn überhaupt, nur langsam voran.
Die FIBA leitete ihre Untersuchung ein, nachdem die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am 10. Juni enthüllt hatte, dass Trainer Amadou Bamba verhaftet worden war. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch von Minderjährigen.
Seitdem warten die Familien der Opfer darauf, dass auch andere Funktionäre, die Bambas Verhalten gedeckt haben könnten, befragt werden. Eine Informantin läuft derweil Gefahr, ihren Sport aufgeben zu müssen.
"Wenn du versuchst, vor mir wegzulaufen, werde ich dich aus dem Kader entfernen." Das war die erste Drohung, die Bamba gegenüber seinem Opfer nach dessen Worten ausgesprochen hatte. Die verzweifelte und weinende Spielerin musste von ihren Mannschaftskameraden getröstet werden. Sie versicherten ihr, dass Bamba kein Recht habe, sie auszuschließen. Doch Belästigungen und sexuellen Annäherungsversuche gingen nach ihrer Darstellung weiter. Bis die Affäre öffentlich wurde, so ihr Vater, der sich der DW anvertraut hat - unter der Bedingung der Anonymität.
Keine Teilnahme an der Weltmeisterschaft, weil sie ihren Trainer denunziert hat - am Ende zahlte die junge Spielerin diesen Preis für ihre Weigerung, Bamba nachzugeben, der sie daraufhin aus dem Kader für die U19-Weltmeisterschaft strich.
Noch keine Strafen, keine Konsequenzen
Der Basketball-Verband Malis FMB hat eine offizielle Erklärung herausgegeben. Der zufolge wurde die Spielerin aufgrund einer Verletzung aus dem Kader gestrichen - was ihr Vater vehement bestreitet. Es sei vielmehr die Quittung dafür, dass sie ihren Trainer beschuldigt habe.
Bamba, der sich derzeit in Untersuchungshaft befindet, wird von einem Anwalt namens Jean Claude Sidibé verteidigt. Der Jurist ist niemand Geringeres als der ehemalige Präsident des FMB und frühere Sportminister des Landes. HRW geht davon aus: Seit fast 20 Jahren gibt es Missbrauch im Basketball Malis unter den Augen des Verbandes und unter der Aufsicht von Sidibé.
Der französische Autor Romain Molina, der unter anderem für die New York Times schreibt, hat sich mit dem Fall beschäftigt. Er ist davon überzeugt, dass die FIBA die Affäre vertuscht und die Suspendierung des betreffenden Spielers nicht verhindert.
Neben Bamba wurden auch FIBA-Präsident Hamane Niang und FMB-Präsident Harouna Maiga suspendiert. Sie bleiben aber trotz der Forderung von HRW, sie dauerhaft aus dem malischen Basketball zu verbannen, Funktionsträger.
Die Ergebnisse der Untersuchung sollten eigentlich nach den Olympischen Spielen und der Basketball-Weltmeisterschaft, die am 15. August endete, veröffentlicht werden. Doch bislang: keine Ergebnisse, keine Strafen.
Den Täter gedeckt?
Für Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei HRW, ist es unvorstellbar, dass die FIBA-Funktionäre nichts von dem Missbrauch ahnten. "Der Präsident des Verbandes und alle Funktionäre wussten, was vor sich ging, deckten aber den Täter", sagt sie.
Papsone Camara, ein ehemaliger malischer Basketballspieler, der den Familien der Opfer nahe steht, sagte der DW, er habe "den FIBA-Ermittlern Beweise geschickt", die den Trainer belasteten.
Die FIBA hat eine Anwaltskanzlei unter der Leitung von Richard McLaren beauftragt, die Sache vor Ort zu untersuchen. McLaren ist kein Unbekannter, sondern der Verfasser des McLaren-Berichts von 2016 über russisches Doping. Die Kanzlei hat ihrerseits die internationale Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes eingeschaltet, die sich auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen spezialisiert hat.
Als die betroffenen Mädchen jedoch von der Polizei zu den Vorfällen befragt wurden, geschah dies in Abwesenheit der Familien und Anwälte.
Auf Fragen der DW hat die FIBA nicht geantwortet. Der Verband verweist stattdessen auf Pressemitteilungen vom 14. und 24. Juni letzten Jahres - mit der Information, dass die Missbrauchsvorwürfe untersucht würden. Terre des Hommes auf der anderen Seite betont, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternehme, um die Mädchen zu schützen und ihnen die notwendige psychologische Unterstützung zukommen zu lassen.
Sidi Mohamed Bah, Kinderschutzkoordinator der Hilfsorganisation, unterstreicht jedoch, dass ihre Möglichkeiten begrenzt seien. "Als NGO gehört der physische Schutz nicht wirklich zu unserem Mandat", sagt er. "Es ist Sache der malischen Behörden, für die Sicherheit ihrer Bürger zu sorgen, und wir arbeiten eng mit diesen Behörden zusammen."
Der Vater des Mädchens, das aus der Trainingsgruppe entfernt wurde, hat Angst um die Sicherheit seiner Tochter, wie er der DW erklärte. "Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht mehr zum Training gehen soll, weil die Plätze dort das Revier des Trainers sind", sagt er.
Besserer Schutz erforderlich
Sexueller Missbrauch und Belästigung sind in Mali nicht nur ein Problem der Nationalmannschaft. Der ehemalige Spieler Papsone Camara erzählte der DW, dass ein Trainer eines Basketballvereins in der malischen Liga ein 16-jähriges Mädchen missbraucht, geschwängert und sich dann geweigert habe, für die Folgen geradezustehen. Laut Camara haben die Behörden bislang nicht eingegriffen.
Minky Worden von Human Rights Watch ist davon überzeugt, dass die jungen Sportlerinnen in Zukunft viel besser versorgt werden müssen. "Bevor das Team zu seinem nächsten internationalen Turnier reist, müssen wir sicherstellen, dass die Mädchen angemessen geschützt sind." Mehr noch: Es müsse eine angemessene Entschädigung geben und eine Entschuldigung durch die FIBA - dafür, dass ein mutmaßlicher Sexualstraftäter mit der Leitung des Teams beauftragt worden sei.
In einem Land, das von politischen Konflikten heimgesucht wird, haben die malischen Frauen-Basketballteams in den letzten Jahren sowohl auf dem Kontinent als auch weltweit hervorragende Ergebnisse erzielt - wie die Leistungen der U19-Mannschaft in Ungarn zeigten. Für die Mädchen ist es eine willkommene Möglichkeit, der Armut zu entkommen und sich den Traum zu erfüllen, im Ausland zu spielen. Gleichzeitig unterstützen sie ihre Familien zu Hause finanziell. Die jungen Frauen haben Schutz und Gerechtigkeit verdient.
Der Text wurde von Marko Langer aus dem Englischen adaptiert.