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Tunesien nach Rücktritt des Premiers in Krise

Andreas Gorzewski22. Februar 2013

Nach dem Rücktritt von Premier Jebali braucht Tunesien eine neue Regierung, die sich den wirtschaftlichen und politischen Problemen stellt. Vieles deutet auf eine erneute Regierungsbildung durch die Ennahda-Partei hin.

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Hamadi Jebali (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die politische Krise in Tunesien spitzt sich weiter zu. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Hamadi Jebali fehlt dem Land eine handlungsfähige Regierung. Die Parteien sind zerstritten. Zusätzlich leiden viele Tunesier unter der hohen Arbeitslosigkeit. Auch die Spannungen zwischen den religiösen und weltlichen Kräften in dem nordafrikanischen Staat haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich besorgt über die Lage im Ursprungsland des Arabischen Frühlings und rief die politischen Parteien dort zum Dialog auf.

Premier Jebali hatte am Dienstagabend (19.02.2013) seinen Rücktritt erklärt, nachdem seine eigene Ennahda-Partei seinen Plan für eine Technokraten-Regierung abgelehnt hatte. Mit einem Kabinett aus parteilosen Fachleuten wollte Jebali einen Ausweg aus den vielfältigen Krisen des Landes finden. Die Experten sollten anstelle der zerstrittenen Drei-Parteien-Koalition aus islamistischer Ennahda, sozialdemokratischer Ettakatol und dem säkularen Kongress für die Republik (CPR) das Land führen und Neuwahlen vorbereiten. Für die Ennahda kam es jedoch nicht in Frage, auf die ursprünglich von der Opposition erhobene Forderung nach einer Technokraten-Regierung einzugehen. "Das wäre ein Eingeständnis des Scheiterns gewesen oder zumindest der Krise", sagt Hardy Ostry, Leiter des Tunesien-Büros der Konrad-Adenauer Stiftung. Außerdem hätte die mit Abstand stärkste Partei dann keinen unmittelbaren Zugriff mehr auf zentrale Ministerien wie das Innen-, Außen- und Verteidigungsressort gehabt, erklärt Ostry im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Kein gutes Investitionsklima

Der Rücktritt Jebalis überschattet die laufenden Verhandlungen Tunesiens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Das Land leidet zwei Jahre nach dem Sturz des Regimes von Langzeit-Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali weiter unter einer schweren Wirtschaftskrise und braucht Kredite. Die Ratingagentur Standard and Poor's stufte die Bewertung für Tunesien herab. Ostry zufolge ächzt die Tourismusbranche wegen der Krise unter Stornierungen. "Die gesamte Lage ist sicher nicht sehr positiv für die Wirtschaftssituation", urteilt er.

Unterstützer der islamistischen Ennahda-Partei demonstrieren am 18. Feburar 2013 in Tunis (Foto: Reuters)
Unterstützer der islamistischen Ennahda-Partei demonstrieren in TunisBild: Reuters

Verschärft wird die Situation durch den Mord an dem Oppositionspolitiker Chokri Belaïd Anfang Februar. Belaïd war ein scharfer Kritiker der Islamisten. Deshalb vermutet die Opposition auch die regierende Ennahda-Partei hinter dem Anschlag. Tagelang hatten sich aufgebrachte Demonstranten und Polizeikräfte Straßenschlachten geliefert. Der tunesische Politologe Chokri Hamrouni sieht neben der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise auch ein akutes Sicherheitsproblem. "In Folge des Mords an Chokri Belaïd haben sich eine Reihe Tunesier Fragen nach dem Charakter der doch etwas bedrohlichen Sicherheitslage gestellt", sagt der Forscher am Tunesischen Institut für Strategische Studien (ITES). Ihm zufolge berichten Oppositionelle, Intellektuelle und Künstler täglich von Einschüchterungen und Drohungen.

Jebali möglicherweise auch künftiger Premier

Am Mittwoch (20.02.2013) fanden erste Gespräche zwischen Staatspräsident Moncef Marzouki und Ennahda-Chef Rachid Ghannouchi statt. Der Politologe Hamrouni rechnet damit, dass Jebali in den kommenden Tagen wieder den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Er werde trotz seiner Ennahda-Mitgliedschaft von großen Teilen der politischen Klasse akzeptiert. Im Streit um eine Ministerriege aus Parteipolitikern oder aus unabhängigen Fachleuten werde es vielleicht einen Mittelweg geben. Dabei gehe es um eine Erweiterung der bisherigen Koalition, so dass auch wieder Politiker mit am Kabinettstisch sitzen würden. "Dazu kommt eine bisher nicht festgelegte Zahl unabhängiger Personen", so Hamrouni.

Ostry rechnet dagegen nicht damit, dass Jebali noch einmal das Kabinett bilden wird. Dieser habe zwar seine Bereitschaft dazu signalisiert, aber auch Bedingungen gestellt. Vor allem die Forderung des 64-jährigen Politikers nach einem absoluten Gewaltmonopol des Staates könnte Jebalis Rückkehr an die Macht erschweren. Diese Forderung richtet sich laut Ostry direkt gegen die umstrittene Liga zum Schutz der Revolution, die in unmittelbare Nähe zu Ennahda gebracht wird. Unabhängig davon werde Ennahda eine Erweiterung der bisherigen Dreier-Koalition anstreben. Das allein werde die Krise aber nicht lösen. "Das eigentliche Problem ist, dass so schnell wie möglich eine Verfassung verabschiedet werden muss und wir ein Datum haben für die nächsten Wahlen", meint der Fachmann der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dies könne wieder Vertrauen und Sicherheit stiften und Investoren anziehen. "Ich denke, der Ruf nach einem klaren politischen Fahrplan ist ganz entscheidend", sagt Ostry.

Straßenschlachten in Tunis (Foto: AP)
Straßenschlachten überschatteten den Trauerzug für Chokri BelaïdBild: Reuters