Regierungskrise spitzt sich zu
10. Februar 2013Inmitten des innenpolitischen Chaos in Tunesien hat die weltlich orientierte Partei von Staatspräsident Moncef Marzouki ihre drei Minister aus der von Islamisten geführten Regierung abgezogen. Das teilte ein Sprecher der Partei "Kongress für die Republik" (CRP) laut staatlicher Nachrichtenagentur TAP in Tunis mit. Die Partei betonte allerdings, der Schritt habe mit Plänen von Ministerpräsident Hamadi Jebali zur Bildung einer Expertenregierung nichts zu tun. Grund sei vielmehr, dass Forderungen der Kongresspartei nach einem Austausch des Außen- und des Justizministers nicht erfüllt worden seien.
Politische Spaltung ist offensichtlich
Inzwischen gleitet das nordafrikanische Land immer mehr in die Staatskrise ab, die politische Spaltung tritt offen zutage. Auch in der Ennahda-Partei ist ein Richtungsstreit entbrannt. Der als moderat geltende Jebali droht mit Rücktritt, falls Ennahda der Bildung einer Regierung aus parteiunabhängigen Experten im Wege steht. Der konservative Flügel um Parteichef Rachid Ghannouchi lehnt eine solche Regierung ab.
Mit dem Vorschlag, ein neues Kabinett aus Technokraten zu bilden, hatte Jebali auf die gewalttätigen Unruhen und Proteste reagiert, die die Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaïd, einem entschiedenen Gegner der Islamisten, am vergangenen Mittwoch ausgelöst hatte. Belaïds Anhänger unterstellen der Ennahda-Partei, in das Attentat verwickelt zu sein. Beweise gibt es nicht.
Der Präsident will Wahlen
Trotz der angespannten Lage hält Präsident Marzouki an Parlaments- und Präsidentenwahlen noch in diesem Jahr fest. Die Wahlen könnten um zwei bis drei Monate auf einen Zeitraum zwischen Juni und Oktober verschoben werden, sagte Marzouki in einem Interview des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira. Tunesien werde stabiler, wenn es eine neue Verfassung, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament habe, sagte Marzouki. Dann könnten die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Angriff genommen werden. Gründe für die derzeitigen Probleme seien die lange Übergangsperiode zur Demokratie sowie eine schwache Regierung.
Tunesien war 2011 Wiege des Arabischen Frühlings. Damals hatten die Tunesier den autokratischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali gestürzt. Der politische Übergang danach ist bislang wesentlich friedlicher verlaufen als etwa in Libyen oder Ägypten. Doch nach dem Mord an Belaïd werden Forderungen nach einer "neuen Revolution" laut. Viele Menschen sind zudem enttäuscht über ausbleibende soziale und wirtschaftliche Fortschritte.
pg/wl (dpa, apd, rtr, afp)