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Überwachung oder Selbstregulierung?

Klaus Dahmann 30. August 2004

Das Internet ist ein Paradies - nicht nur für jene, die Informationen suchen oder Mails verschicken, sondern auch für Kriminelle und Terroristen. International gültige Gesetze sollen Missbrauch vorbeugen und ahnden.

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Datenleitung rund um die WeltBild: AP

Viren, die die Computer der Großbanken infizieren und die ganze Finanzwelt in den Abgrund stürzen, Hacker, die per Mausklick Kernkraftwerke in die Luft sprengen, Terroristen, die die Zugangs-Codes für Atomwaffen-Arsenale knacken: Horror-Szenarien, in denen das Internet eine unrühmliche Rolle spielt, haben Hochkonjunktur. Es gibt zwar inzwischen einiges an funktionierenden Sicherheitsmechanismen, aber dennoch guten Grund zur Wachsamkeit.

Regulierung per Gesetz

Mit unglaublicher Geschwindigkeit hat das World Wide Web einen festen Platz im Alltag vieler Menschen in den Industriestaaten erobert. Und es ist auf dem besten Weg, seinen Siegeszug in den weniger entwickelten Ländern fortzusetzen. Die Regierungen reagieren: In zahlreichen Ländern sind im Eilverfahren Gesetze geschaffen worden, um die potenziellen und bereits existierenden Bedrohungen einzudämmen, andernorts sind sie in Arbeit. "Gegenwärtig sind die Autoritäten der Welt in einem Regulierungs-Fieber", hat der neue OSZE-Medienbeauftragte Milos Haraszti beobachtet. "Aber wir müssen eine Lösung finden, die am wenigsten restriktiv ist und am wenigsten die Pressefreiheit einschränkt."

Staatenübergreifende Regelungen

Weil das Internet ein globales Medium ist, muss es auch globale Regelungen geben. Und so suchen internationale Organisationen wie EU, Europarat und UNO nach einheitlichen Vorschriften, die für alle Mitglieder gelten sollen. Der Europarat hat vor drei Jahren in Budapest eine "Cyber Crime Convention" verfasst. Im Vordergrund steht hier die Strafverfolgung von Kinderpornografie und "Hate Speech" - also Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen. Zwar haben 38 Staaten aus Nordamerika, Europa und Zentralasien diese Konvention unterzeichnet, aber erst sechs haben sie auch ratifiziert, darunter Albanien, Kroatien und Rumänien. Die anderen zögern noch.

Grenzen der Einflussnahme

Es gibt auch harte Gegner der Konvention, die jeden Eingriff in Web-Inhalte als Überregulierung ablehnen. So auch Sandy Starr vom britischen Internet-Portal "spiked online". Er hält vieles, was die Konvention beinhaltet, für pure Hysterie. "Wir brauchen keine spezifische Regulierung der Inhalte im Internet - mit Ausnahme vielleicht von ganz bestimmten Fällen von Internet-Kriminalität", sagt sie. "Aber insgesamt reichen die bestehenden Gesetzeskategorien ausreichen, um kriminelle Akte wie persönliche Angriffe, Schädigung oder Einschüchterung bestrafen zu können."

Auch der Ire Cormac Callanan findet, dass einige Passagen der Europarats-Konvention problematisch sind. So zum Beispiel die sehr weit gefasste Definition von Kinderpornografie, die nicht nur den Missbrauch von Minderjährigen umfasst. "Wenn man sich ein Bild anschaut, auf dem ein Kind missbraucht wird, dann sieht man einem Verbrechen zu", erklärt er. "Aber wenn man das Bild von jemandem anschaut, der nur so aussieht wie ein Kind und auch nicht missbraucht wurde - was ist das dann? Ist das ein Gedanken-Verbrechen? Ist das ein potenzielles Verbrechen, das in Zukunft passieren könnte?" Für eine Klärung sei in solchen Fällen eindeutig der Gesetzgeber gefragt, sagt Callanan. Ansonsten aber gehört er zu jenen, die auf Selbstregulierung setzen: Callanan ist Generalsekretär von INHOPE, einem Zusammenschluss von speziellen Hotline-Diensten in 18 Ländern, die dafür sorgen, dass das World Wide Web "sauber" bleibt.

Offene Fragen

Jeder, der im Internet auf Kinderpornografie oder andere kriminelle Aktivitäten stößt, kann eine der Hotlines informieren. Und sie wiederum kontaktieren den betreffenden Provider-Dienst - also jenem Unternehmen, wo die Web-Seite oder die E-Mail-Adresse registriert ist -, der dann die Seite oder die Adresse sperrt. Doch die Selbstregulierung hat Grenzen. "Das INHOPE-Modell ist sehr effektiv, aber es ist nicht als Problemlöser gedacht gewesen", bilanziert Callanan.

Bei der Strafverfolgung sind Gerichte gefragt. Und das ist das eigentliche Problem: Was tun, wenn - wie bei einem Prozess gegen den Provider "yahoo" - ein US-Bürger rechtsradikale Andenken über das Internet verkauft, die in den USA selbst nicht verboten ist, wohl aber in Deutschland und Frankreich? Welches Recht wird hier angewandt? Wie kann man verhindern, dass Polizei und Geheimdienste - unter dem Vorwand, Kriminelle und Terroristen zu suchen - gleich alle privaten E-Mails lesen? Bis hier international einheitliche Regelungen gefunden sind, wird es noch einige Zeit dauern.