Erfolg bei Terroristen-Jagd in Boston
19. April 2013Um 20:45 Uhr Ortszeit verbreitete der US-Sender CNN die Erfolgsmeldung, und auch lokale Sender und die Zeitung Boston Globe gaben Entwarnung: Der zweite Verdächtige nach dem Bombenanschlag von Boston ist gefasst. Wenige Augenblicke später kam dann die Bestätigung der Polizei über den Kurznachrichtendienst Twitter. Der 19-jährige Dschochar Zarnajew lebt. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie sich Polizeibeamten beglückwünschten und Einheiten abzogen. Anwohner klatschten Beifall. Zarnajew war zuvor verletzt in einem Krankentransporter fortgebracht worden.
Eingekesselt - in einem Boot versteckt
Seit der vergangenen Nacht Ortszeit hatten die Sicherheitskräfte den aus Tschetschenien stammenden Studenten gejagt. Zuletzt hatten sie den Verdächtigen im Garten eines Hauses in Watertown eingekesselt. Er hatte sich dort in einem mit einer Plane abgedeckten Boot versteckt. Die Behörden in Boston hatten erst kurz davor die Ausgangssperre aufgehoben, die für die Bevölkerung der Metropole und des Vorortes Watertown ausgerufen worden war. Und dann ging alles ganz schnell.
Das FBI geht fest davon aus, dass die aus Tschetschenien stammenden Brüder Tamerlan und Dschochar Zarnajew die mutmaßlichen Bombenleger von Boston sind. Tamerlan wurde am frühen Morgen bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet, der jüngere Dschochar war den ganzen Tag über auf der Flucht.
Tamerlan stand im Visier des FBI
Bereits vor zwei Jahren war Tamerlan ins Visier des FBI geraten. Die Behörde teilte mit, der 26-Jährige sei Anfang 2011 vom FBI befragt worden. Anlass sei die Anfrage einer ausländischen Regierung gewesen. Demnach soll Tamerlan "Anhänger eines radikalen Islam" gewesen sein und sich darauf vorbereitet haben, die USA zu verlassen, um sich Untergrundorganisationen anzuschließen.
Laut FBI ergaben die Befragung von Zarnajew und dessen Familie sowie die Überprüfung von Reisedokumenten, Internetverkehr und persönlichen Kontakten damals allerdings keine Anzeichen einer "terroristischen Aktivität". Die Hintergründe zu den Anschlägen auf den Boston-Marathon sind weiterhin unklar.
US-Sicherheitskreise vermuten jedoch einen islamistischen Hintergrund. Es gebe bislang aber keine Hinweise darauf, dass die Brüder Kontakte zum Extremistennetzwerk Al-Kaida oder anderen militanten Gruppen gehabt hätten. Die Suche nach etwaigen Verbündeten der beiden im In- oder Ausland habe nun oberste Priorität, sagte ein Sicherheitsbeamter.
Dramatische Verfolgungsjagd
Die Verfolgungsjagd im Vorort Watertown von Boston hatte mit dem Tod eines Sicherheitsbeamten begonnen, der wegen einer Ruhestörung zur US-Eliteuniversität Massachusetts Institute of Technology (MIT) gerufen und dort erschossen worden war. Anschließend wurde dann auch der 26-jährige Tamerlan, der kurz vor dem Attentat am Montag im Zieleinlauf des Marathons mit einem Rucksack gefilmt worden war, angeschossen. Im Krankenhaus erlag er seinen Verletzungen.
Für die Menschen im Bostoner Vorort Watertown verlief die Nacht zum Freitag wie im Horrorfilm. Die Polizei forderte sie auf, in ihren Wohnungen zu bleiben. Und dann durchsuchte sie Haus für Haus auf der Suche nach dem Flüchtigen.
Während der Verfolgung hatten die beiden Männer einen Mann als Geisel genommen und waren in dessen Auto geflohen. Ihm gegenüber gaben sie sich nach Medienberichten zu erkennen. Die Geisel wurde später freigelassen. Verfolgt von der Polizei, warfen sie Sprengsätze aus dem Auto und schossen auf die Streifenwagen. Die Polizisten schossen zurück.
Ausgangssperre für Boston
Die Jagd auf die Terrorverdächtigen hatte auch das Leben in weiten Teilen der Ostküstenmetropole Boston lahmgelegt. Tausende Beamte waren im Einsatz. Der Luftraum wurde gesperrt. Der Nahverkehr wurde mitten im beginnenden Berufsverkehr komplett unterbrochen. Die Polizei verhängte über Stunden eine Ausgangssperre für die gesamte Großstadt.
Am Donnerstagabend hatte die Polizei die ersten Fotos der Verdächtigen veröffentlicht, die kurz vor dem Terroranschlag am Montag am Tatort aufgenommen worden waren. Sie zeigen zwei junge Männer mit Rucksäcken, in denen sie vermutlich den Sprengstoff transportierten. Von den Verletzten des Anschlags befand sich am Freitag niemand mehr im kritischen Zustand. Aus den Krankenhäusern der Stadt heißt es, von den Schwerverletzten würden wohl alle überleben. Die Genesung könne aber Jahre dauern.
Tschetschenien bestreitet eine Verbindung zu den beiden mutmaßlichen Tätern. Nach FBI-Angaben wurden die beiden Zarnajews in Kirgisistan geboren und mit ihrer Familie vor etwa zehn Jahren in die USA eingewandert. US-Außenminister John Kerry wies Spekulationen über eine Verbindung zu tschetschenischen Separatisten zurück. "Terror ist Terror, und dies unterstreicht, wie wichtig es ist, dass wir alle wachsam bleiben und international miteinander kooperieren", sagte Kerry.
GD/ml/SC (dpa, rtr, afp, CNN)