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"Zu viel Bürokratie" für ausländische Ärzte

Jenny Witt cb
2. Oktober 2016

Ärzte, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und wieder in ihrem Beruf arbeiten wollen, haben es schwer. Das zeigt auch der Fall eines syrischen Doktors.

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Ausländische Ärzte in Deutschland Munzer Shekho
Bild: Jenny Witt

"Ich war in Syrien in der Inneren Medizin. Ich hoffe, dass ich auch hier in Deutschland in diesem Bereich arbeiten kann", sagt Munzer Shekho.

Sheko kommt aus Aleppo, von wo er vor drei Jahren floh. Seine Heimatstadt liegt heute fast komplett in Trümmern, zerstört im syrischen Bürgerkrieg.

In den vergangenen Monaten behandelte Shekho Patienten in einer Spezialklinik für Flüchtlinge im norddeutschen Neumünster. Aber seit dem 30. September ist er arbeitslos. Seine temporäre Zulassung wird erst erneuert werden, wenn er einen Kompetenztest bestanden hat.

Der Arzt Ivo Markus Heer beschäftigte neben Shekho noch drei weitere syrische Ärzte in der Klinik am Friedrich-Ebert-Krankenhaus. Zwei von ihnen müssen gehen. Heer sagt, seine syrischen Kollegen seien qualifiziert, kompetent und hätten den Behörden ihre medizinischen Qualifizierungen vorgelegt. Aber die syrischen und deutschen Lehrpläne stimmen nicht genau überein, also müssen die Ärzte beweisen, dass sie gut genug ausgebildet sind, um hier zu arbeiten.

Zu viel Bürokratie

Bis dahin wird die Spezialklinik erst einmal schließen, sagt Heer - obwohl fast 1000 Flüchtlinge in der Nachbarschaft leben. "Wenn wir keine Ärzte haben, die diese Klinik am Laufen halten, müssen wir sie eben zumachen. Die zwei verbleibenden Ärzte werden in die Notaufnahme verlegt", so Heer.

Deutschland Flüchtlinge kommen an der ZAA in Berlin an
Heer sagt, dass Deutschland mit der großen Anzahl an Flüchtlingen nicht auf ausländische Ärzte verzichten könneBild: Getty Images/S. Gallup

Shekho befürchtet, dass es mindestens ein Jahr dauern könnte, bis er wieder arbeiten darf. "Wenn wir uns für die Prüfung anmelden, dauert es acht oder neun Monate, bis man einen Termin bekommt", sagt er. "Außerdem müssen wir an einem Kurs teilnehmen der Anfang 2017 beginnt. Der dauert auch acht Monate. Es ist wirklich, wirklich schwierig. Vorher war ich hier auch arbeitslos und das war normal. Aber jetzt ist es hart. Ich schlafe nicht mehr."

Der Zulassungsprozess für ausländische Ärzte sei viel zu bürokratisch und verwirrend, sagt Heer. Er will, dass die deutschen Gesundheitsbehörden verstehen, dass ein Arzt, der aus einem Kriegsgebiet kommt, nicht immer einen vollständigen Ausbildungsnachweis vorlegen kann, aber trotzdem ein Gewinn für das deutsche Gesundheitssystem sein kann.

Kein politischer Wille vorhanden

"Was fehlt, ist ein Integrationsplan, der festlegt, wie wir den rechtlichen Prozess vereinfachen und diese Menschen unterstützen können", sagt Heer. "Außerdem fehlt der politische Wille, dieses Problem anzugehen. Das ist besonders enttäuschend, weil wir wissen, dass es zu schaffen ist."

Deutschland braucht mehr Ärzte. Eine immer ältere Bevölkerung geht öfter zum Arzt. Gleichzeitig gehen mehr und mehr Mediziner in Rente, und es kommen zu wenige nach. Deswegen ist Deutschland auf medizinisches Personal aus dem Ausland angewiesen.

2015 arbeiteten 37.878 ausländische Ärzte in Deutschland. 2005 waren es nur 15.062. Die eingewanderten Mediziner machen mehr als 10 Prozent aller Ärzte in Deutschland aus. Fast 2000 von ihnen kamen aus Syrien.

Symbolbild Operation Krankenhaus
Fast 2000 syrische Ärzte arbeiteten 2015 in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Die Herausforderung besteht nun darin, die Lücken im Gesundheitssystem zu schließen, ohne Patienten zu gefährden. Das Gesundheitsministerium in Schleswig Holstein, wo Shekho arbeitet, äußerte sich in einer Erklärung.

"Es wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, um ausländischen Medizinern beim Einstieg in den medizinischen Dienst zu helfen und um zu garantieren, dass es keine sprachlichen Probleme gibt", heißt es aus dem Ministerium. "Diese Maßnahmen beinhalten beaufsichtigtes Arbeiten mit deutschen Kollegen, um Deutschkenntnisse zu verbessern oder den Besuch spezieller Kurse, die nächsten Januar anfangen." 

Die Behörde sagt auch, dass Shekho und anderen Ärzten bereits letztes Jahr mitgeteilt wurde, dass sie die Kompetenzprüfung ablegen müssten. Seit Beginn des vergangenen Jahres haben 57 ausländische Ärzte die Prüfung bestanden.

Aber damit ist es noch nicht vorbei. Eine Arbeitserlaubnis zu bekommen ist kompliziert - es gibt 22 Zulassungsbehörden in Deutschland. Einige Bundesländer haben mehr als eine. Sie setzen eigene Kriterien fest und es heißt, dass einige Länder strenger sind als andere.

Eine zentrale Auswertungsstelle

Darum wollen Organisationen wie der Marburger Bund, der Ärzte repräsentiert, dass die Systeme angeglichen werden. Damit wird gerade begonnen. Ruth Wichmann aus der internationalen Abteilung des Bundes begrüßt die Tatsache, dass in jedem Bundesland eine zentrale Auswertungsstelle eingerichtet wird.

"Ausländische Medizinabschlüsse auszuwerten ist eine komplexe Aufgabe", sagt Wichmann. "Die Zentralisierung von Expertenwissen ist der beste Weg, um einen effizienten, fairen und transparenten Bewertungsprozess einzurichten. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Behörden die Dienste der zentralen Auswertungsstelle nutzen werden, und wie es sich entwickelt."

Ausländische Ärzte in Deutschland Munzer Shekho
Shekho (links) und Heer haben monatelang gut zusammengearbeitet.Bild: Jenny Witt

Im Friedrich-Ebert-Krankenhaus wird Shekho schmerzlich vermisst werden. Kürzlich behandelte er einen jungen Mann, der sichtbar unter Schmerzen litt. Shekho sprach mit dem Patienten kurdisch, mit anderen spricht er arabisch oder englisch. Auch deutsch spricht er schon mit seinen alteingesessenen Patienten.

"Man kommt schnell und ohne Missverständnisse zu einer ersten Diagnose", sagt er. "Ich verstehe die Mentalität. Viele Patienten sagen uns, dass sie extra nach einem syrischen Arzt suchen, weil sie sonst ihre Beschwerden nicht erklären können."

Klinikdirektor Heer besteht darauf, dass das deutsche Gesundheitssystem Ärzte aus dem Ausland braucht. "Ein deutscher Arzt braucht bis zu fünf mal länger als ein deutscher, um die Beschwerden eines Flüchtlings einzuschätzen, ohne die Sprache und die Expertise unserer syrischen Kollegen", sagt Heer. "Das ist eine große Herausforderung für unsere Klinik und die anderen Bereiche, in denen diese Patienten behandelt werden."

Heer sagt außerdem: "Wenn wir als Gesellschaft es schaffen könnten, den Mangel an Spezialisten mit Ärzten auszugleichen, die nach Deutschland geflohen sind, dann könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen."