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Wütende Bauern hindern Habeck am Verlassen von Nordsee-Fähre

5. Januar 2024

Hautnah bekam der Wirtschaftsminister den Ärger von Bauern über die Streichung von Steuervergünstigungen zu spüren. Die Berliner Politik ist empört über die Aktion. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Nötigung.

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Rund 100 Bauern blockieren den Fähranleger im Nordsee-Ort Schlüttsiel
Rund 100 Bauern blockieren den Fähranleger im Nordsee-Ort Schlüttsiel, so dass Minister Robert Habeck nicht an Land gehen kannBild: picture alliance/dpa/WestküstenNews

Wütende Bauern haben Vizekanzler Robert Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Sie hätten am Donnerstag den Anleger in Schlüttsiel blockiert, sagte ein Polizeisprecher. Habeck habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen, wo er Urlaub gemacht hatte. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen, sie hätten auch Pfefferspray eingesetzt. Von Verletzten ist nichts bekannt. Erst in der Nacht dann konnte der Bundeswirtschaftsminister mit einer weiteren Fähre das Festland erreichen. 

Porträt des Bundeswirtschaftsministers Vizekanzlers und Grünen-Politikers Robert Habeck
Der Grünen-Politiker Robert Habeck ist Bundeswirtschaftsminister und VizekanzlerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte zu dem Vorfall in Schlüttsiel, Habeck sei gerne bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. "Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen." Laut Polizei beruhigte sich die Lage schnell, nachdem die Fähre abgelegt hatte.

Die Staatsanwaltschaft Flensburg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung ein. Darüber hinaus werde geprüft, ob weitere Straftaten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch vorlägen, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt. Derzeit werde gegen unbekannt ermittelt.

Die Bundesregierung bezeichnete die Blockadeaktion als beschämend. Sie verstoße gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Internetdienst X. "Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein."

Özdemir: "Die haben feuchte Träume von Umstürzen"

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte im deutschen Fernsehen, den Menschen an der Fähre sei es nicht um die deutsche Landwirtschaft gegangen. "Die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben", betonte der grüne Politiker. Bei X schrieb Özdemir, er messe immer mit gleichem Maß, "ob bei Klimaklebern oder bei den Bauern am Fährhafen: Gewalt und Nötigung sind verachtenswert und schaden auch dem Anliegen."

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, die Ereignisse hätten mit legitimem demokratischem Protest und harter politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun. Immer mehr verbale Aufrüstung und Hass führten zu solchen Grenzüberschreitungen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf X: "Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren."

Wadephul: "Ohne Blatt vor dem Mund - ja. Gewalt - nein"

Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) postete, er teile die Anliegen der Bauern, "diese Grenzüberschreitung aber ist absolut inakzeptabel." Das schade den berechtigten Anliegen der Bauern und müsse Konsequenzen haben. Der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagesabgeordnete Johann Wadephul schrieb: "Ich bin an der Westküste aufgewachsen. Gerade raus ohne Blatt vor dem Mund - ja. Gewalt - nein."

Joachim Rukwied an einem Mikrofon neben Cem Özdemir bei einer Veranstaltung
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied (l.), und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei einer Protestkundgebung am 18. Dezember in Berlin Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Der Deutsche Bauernverband distanzierte sich inzwischen von der Blockade der Fähre mit Habeck an Bord. "Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht", sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied laut Mitteilung. "Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt." Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern. "Blockaden dieser Art sind ein No-Go."

Protestwoche soll am Montag starten

Seit Wochen demonstrieren Landwirte in Deutschland gegen das geplante Aus von Steuervergünstigungen beim subventionierten Agrardiesel und der Kraftfahrzeug-Steuer. Am Donnerstag hatte die Bundesregierung Teile ihrer Pläne zurückgenommen. So soll die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel gestreckt werden. Im laufenden Jahr soll sie zunächst um 40 Prozent gekürzt und dann schrittweise bis 2026 ganz wegfallen. Der Bauernverband bezeichnete das Einlenken allerdings als unzureichend und hält an der geplanten Protestwoche ab kommendem Montag fest.

Mitte Dezember hatte sich die Ampelkoalition darauf verständigt, nach einem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Dazu gehörte auch, dass der sogenannte Agrardiesel und die Kraftfahrzeug-Steuerbefreiung für Landwirte gestrichen werden sollten. Die Pläne lösten massive Proteste der Landwirte aus und waren auch innerhalb der Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen umstritten.

Konkret geht es um die Regelung, dass sich Landwirtschaftsbetriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen können - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Daneben geht es darum, dass land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Steuer befreit sind. Mit der Abschaffung der Begünstigung in der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft sollten Mehreinnahmen von 480 Millionen Euro entstehen, durch die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel Mehreinnahmen von bis zu 440 Millionen Euro.

sti/kle/gri (afp, dpa, rtr, epd)