Wondermind - Reise durchs Gehirn
18. März 2016In Alice im Wunderland steckt zwischen zwei Buchdeckeln ein komplexes Puzzle von Spuren in die Geistesgeschichte, Mathematik und Logik.
Die labyrinthische Traumwelt stellt in spielerischer Form existentielle Fragen über Individualität und Selbsterkenntnis, Raum und Zeit, über das Verhältnis von literarischer Fiktion und empirischer Realität sowie über die Funktion der Sprache. Das ist zuweilen ziemlich verwirrend. Wie auch das gesamte Erwachsenwerden, das versteckt geschildert wird. (Und mit ihm die neuronale Entwicklung.)
Als kunstpädagogisches Begleitprogramm für eine Ausstellung über "Alice in der Kunst " hat das Museum Tate Liverpool gemeinsam mit dem Studio Preloaded Games 2011 aus den bereits vorhandenen Anlagen im Roman ein fantasievoll gestaltetes Browsergame entwickelt, das 8-12jährige niedrigschwellig - und das ist das bestechende am Spiel - an die Neurowissenschaft heranführt.
Statt Kopf ab! : Kopf an!
In vier verschiedenen Spielwelten (deren Grunddesign sich an die verschiedenen Hirnareale anlehnt), interaktiven Videos und einrahmenden Blogposts werden neuronale Plastizität, Raumkognition, Gedächtnis und Sprache vermittelt.
Das sonst Unsichtbare wird erfahrbar gemacht: Der verrückte Hutmacher, die Grinsekatze und natürlich die Königin der Herzen sind dabei, wenn Alice sich in die Gamelevel wirft, immer der eigenen Neugier und dem weißen Hasen nach.
Nach jeder erfolgreich bewältigen Aufgabe (z.B. Lichtstrahl mit Spiegeln umlenken, um die Grinsekatze zu blenden) wartet ein Video, in dem das soeben anschaulich Demonstrierte erklärt, überprüft und wissenschaftlich eingebettet wird.
Lernprozesse können frustrierend sein, zum Beispiel wenn man das dritte Mal eine Reflektionsfläche mit der falschen Seite zum Strahl installiert hat. Beim vierten Mal aber hat das Gehirn verstanden. Was genau das heisst, wird verkürzt in einem Infokasten unter dem Spielfenster eingeblendet.
Bei der Übersetzung von Prozessen in Merkzettel stand beratend Michelle de Haan, Spezialistin für Developmental Cognitive Neurocience an der UCL London zur Seite.
Versteckte Aufgaben neben dem Spiel
Die Spiele im Wunderland sind recht simpel gehalten und von der angestrebten Zielgruppe mit etwas Anstrengung bewältigbar. Ein Memory mit 32 Kartenpaaren unterfordert auch einen Erwachsenen nicht, allerdings sind alle Aufgaben bereits nach etwa 30 Minuten gelöst. Während es in der Romanvorlage weitere versteckte Türen gibt, fehlen diese im Spiel - sehr, denn man möchte noch nicht in die Realität zurück.
Allerdings: Genauso, wie auch das Gehirn nur durch komplementäre Bestandteile funktionsfähig wird, ist auch hier das Begleitmaterial zum Spiel durchdacht und macht es zu einer zusammengenommen gut einsetzbaren Ressource in der Vermittlung: Zum Einen gibt es auf einem Blog zusätzliche Themengebiete zu erforschen, auch stehen umfangreich ausgearbeitete altersgerechte Arbeitsblätter mit weiteren Spielen zur Verfügung.
Dieser Text erschien zuerst auf der unabhängigen Plattform sciencegames.de. Die von der Bosch Stiftung geförderte Seite sammelt und bespricht digitale Wissenschaftsspiele.