Wird Frankfurt der große Brexit-Gewinner?
20. Juli 2017Frankfurt scheint der große Gewinner des Brexit zu werden: Die Finanzmetropole am Main hat bisher die meisten konkreten Zusagen von Banken erhalten, die wegen des Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union einen Teil ihrer Geschäfte aus London verlagern wollen. Außereuropäische Geldhäuser müssen das tun, weil sie nur mit einem Sitz innerhalb der EU den "EU-Pass" erhalten, der sie zu Geschäften innerhalb des Wirtschaftsraumes berechtigt. Nun hat sich auch die amerikanische Citigroup für den Standort Frankfurt entschieden.
Dublin? Paris? Frankfurt am Main!
Für den Handel mit Aktien und Derivaten werde eine bestehende Tochter in Frankfurt mit einer Handelslizenz ausgestattet, schrieb die Citibank am Donnerstag an ihre Mitarbeiter. Frankfurt sei die erste Wahl gewesen, einerseits wegen der vorhandenen Infrastruktur, andererseits wegen der dort beschäftigten Mitarbeiter und ihrer Erfahrung.
Bisher betreibt Citi das Handelsgeschäft über ihre britische Tochter. Wie viele Stellen wegen des Brexits verlagert werden, stehe noch nicht fest. Unter Umständen müssten etwa 150 Jobs in der EU geschaffen werden, hieß es in dem Mitarbeiterschreiben. London werde aber auch künftig die Zentrale für das Geschäft in Europa, den Nahen Osten und Afrika beherbergen und ein wichtiger Standort bleiben.
Hubertus Väth, Geschäftsführer des Lobbyvereins Frankfurt Main Finance, freut sich über diese Nachricht. Er rechnet noch in diesem Jahr mit 1000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Frankfurt. Bisher sind in der Mainmetropole 150 Auslandsbanken vertreten und etwa 75.000 Mitarbeiter.
Auch andere amerikanische Banken zieht es an den Main: So will Goldman Sachs die Zahl seiner Mitarbeiter dort von 200 auf 400 verdoppeln, ebenso dem Vernehmen nach Morgan Stanley. Auch JP Morgan Chase denkt offenbar darüber nach, ihr Investmentbanking nach Frankfurt zu verlagern. 4000 der insgesamt 16.000 JP-Mitarbeiter in London werden die Stadt an der Themse verlassen, heißt es. Angeblich sollen hunderte Stellen nach Frankfurt, Dublin und Luxemburg verlegt werden. Die Bank of America zieht neben Frankfurt auch Dublin in Betracht. Hier kommt es offenbar darauf an, wie der Rechtsrahmen für das sogenannte Euro-Clearing gesetzt wird, in dem Handelsgeschäfte im Volumen von etwa einer halben Billion Euro abgewickelt werden. Auch drei japanische Banken hatten sich für die Finanzmetropole am Main entschieden. Die UBS will dem Vernehmen nach ihre Niederlassung in Frankfurt zur Zentrale für die EU machen, von 1700 Jobs ist die Rede.
Warten oder bald entscheiden?
Nach Berechnungen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg sind bisher so für Frankfurt fest 2850 Arbeitsplätze zugesagt, 1400 für Paris - darunter die HSBC, die 1000 Jobs an die Seine verlagern will - und 150 für Dublin. Allerdings sehen Beobachter doch Dublin als härtesten Konkurrenten für Frankfurt - schon allein wegen der Sprache und ähnlichen Regeln für die Banken wie in Großbritannien.
Über die Verlagerung von weiteren 9000 Jobs gibt es jedoch noch keine Klarheit. Die Banken zögern sie hinaus, weil sie eine Entscheidung besser treffen könnten, wenn ihnen die die Modalitäten des Brexit bekannt wären. Doch damit nach dem Brexit die Geschäfte technisch reibungslos weiterlaufen können, müssen sie wahrscheinlich doch in den nächsten Wochen ihr Vorgehen konkretisieren. Auch die Deutsche Bank, die 4000 Arbeitsplätze aus London verlagern will - wahrscheinlich auch zum großen Teil an den Main. Auf jeden Fall dürfte sie ihr Geschäft mit europäischen Firmenkunden von London nach Frankfurt holen.
Für die Stadt am Main sprechen neben der zentralen Lage in Europa und der guten Erreichbarkeit die Nähe zur Europäischen Bankenaufsicht. Aber auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin punktet bei den Bankern: Ihr bescheinigen sie hohe Professionalität und klare Vorgaben für die Anforderungen an mögliche neue Niederlassungen in Frankfurt.