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"Wir wollen Rio fit machen für Olympia"

Tobias Käufer, Rio de Janeiro 6. Juni 2016

Inmitten der größten Wirtschaftskrise Brasiliens wagen zwei deutsche Jung-Unternehmer ein Startup in der Tourismusbranche. Sie wollen den Markt für Ferienwohnungen revolutionieren. Aus Rio Tobias Käufer.

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Hotels an der Copacabana in Rio de Janeiro (Foto: DW)
Bild: DW/T. Käufer

In den schmucken neuen Büros sind die Handwerker noch zu Gange, doch für die Notebooks ist auf dem großen Konferenzraum schon Platz. Auch der Firmenschriftzug schmückt bereits die frisch mit weißer Farbe gestrichene Wand. Hier mitten im Herzen von Rio de Janeiro wollen zwei deutsche Jung-Unternehmer die digitale Welt der Ferienwohnungen revolutionieren. "Stays" heißt das neue Start-Up-Unternehmen, das auf Anhieb bereits elf Arbeitsplätze geschaffen hat. Es gibt also auch noch gute Nachrichten aus dem krisengeschüttelten Land Brasilien.

Investieren trotz Wirtschaftskrise

Till Pupak (36) und Sven dos Santos (35) glauben trotz Wirtschaftskrise und nicht unumstrittenen Regierungswechsel, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um genau jetzt in dem riesigen südamerikanischen Land zu investieren. Von ihrem Büro im 15. Stock eines Wohn- und Bürogebäudes im Stadtteil Copacabana können sie so manch alte Hoteltürme der Stadt erkennen. Viele wirken trotz Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und bevorstehenden Olympischen Spielen noch immer wie aus einem anderen Jahrzehnt. Die Hotelbranche, so scheint es zumindest augenscheinlich, hat nicht wirklich die Chance genutzt, die Großevents bieten. Zwar entstanden im Olympia-Stadtteil Barra eine ganze Reihe neuer Herbergen, doch in den klassischen Touristenzentren der Stadt, Copacabana, Leblon und Ipanema, wirken zumindest viele Fassaden noch so, als wäre die Zeit stehengeblieben.

Till Pupak und Sven dos Santos (Foto: DW)
Till Pupak und Sven dos Santos in Rio de JaneiroBild: DW/T. Käufer

Technologische Lücke geschlossen

Auch das gehört dazu, wenn der gelernte Industrie-Designer Pupak aus Angelbachtal bei Sinsheim und der Kaufmann dos Santos aus Heidelberg über ihre Idee sprechen. Dos Santos hat in den vergangenen Jahren eine eigene Agentur für die Vermietung von temporären Ferienwohnungen aufgebaut und plant sie zu verkaufen, weil er nun den nächsten Schritt machen will. Pupak arbeitete bei einem der renommiertesten Architekten des Landes als Produktdesigner und kündigte. Jetzt setzten sie ganz auf die Karte der von ihnen entwickelten digitalen Software für die Vermieter von temporären Wohnungen. "Diese Lösung setzt auf eine umfassende digitale Abwicklung des Vermietungsvorgangs", erklärt Pupak. Von der selbständigen Aktualisierung von Buchungsvorgängen, Steuerungsprozessen des Check-In und Check-Out bis hin zum Management des Putzservice erledigt alles eine speziell für diese Anforderungen entwickelte digitale Lösung.

Drei Jahre Vorbereitungen stecken in dem System: "Ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwierig es ist, das Management der Buchungen zu überwachen. Ohne die Hilfe einer Software ist die Fehleranfälligkeit groß", erklärt dos Santos. Als sich die beiden in Rio trafen und über eine neue Website für die Agentur sprachen, kam irgendwann einmal das Gespräch darauf, dass es weltweit eine solche Software noch gar nicht gibt. Obwohl der Markt von temporären Anbietern wie Airbnb oder Wimdu weiter wächst. Genau in diese technologische Lücke will Stays schießen, erklärt Pupak. "Das Interesse großer Anbieter ist enorm, so groß, dass wir im Moment nur Kunden betreuen, die von sich aus auf uns zukommen sind."

Baustelle in Rio de Janeiro (Foto: DW)
Baustellen prägen derzeit das Erscheinungsbild von Rio de JaneiroBild: DW/T. Käufer

Rio bleibt ein Top-Ziel

Dass Brasilien derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, macht die beiden Jung-Unternehmer nicht nervös. "Rio de Janeiro war vor der WM und Olympia bereits eine Top-Destination und wird es auch nach Olympia bleiben. Jeder will irgendwann einmal nach Rio de Janeiro kommen. Und Krisen haben die Eigenschaft, dass sie auch irgendwann einmal wieder vorbei sind", glaubt dos Santos. Beide haben Familie in Rio de Janeiro und schätzen das Leben in der Weltstadt. Doch sie wollen sich ohnehin nicht nur auf Rio beschränken. Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern werden Städtereisen immer populärer und damit der Markt für temporäre Wohnungen in Städten wie Buenos Aires, Medellin oder San Jose immer attraktiver. Im deutschsprachigen Markt soll im Spätsommer angegriffen werden.

Professionalisierung der Branche

Das erste Ziel des jungen Unternehmens ist es aber, Rio de Janeiro auf dem Markt für temporäre Wohnungen in das digitale Zeitalter zu führen, mit der nach eigenen Angaben modernsten Software der Welt. Nach nicht offiziellen Schätzungen gibt es derzeit 6000 temporäre Wohnungen in der Olympiastadt. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis: "Es fehlt an einer Struktur, wie wir sie zum Beispiel aus den USA oder Europa kennen, wo sich Unternehmer in einem Interessenverband zusammenschließen, um Erfahrungen auszutauschen und im Namen der Branche zu sprechen", sagt dos Santos und fasst die Grundidee des Unternehmens zusammen: "Es geht um eine durchgehende Professionalisierung dieser Branche."