1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türken proben den Aufstand

5. Juni 2013

Trotz des harten Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten in der Nacht protestieren in Istanbul auch am Tage wieder Tausende gegen die Regierung. Die Gegner der Erdogan-Regierung erhalten immer mehr Zulauf.

https://p.dw.com/p/18jkC
Türkische Polizei setzt in Istanbul Wasserwerfer gegen Demonstranten ein (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Auch am sechsten Tag in Folge protestieren Tausende Türken im ganzen Land gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Nach einem Treffen mit Vizeregierungschef Bülent Arinc in Ankara kündigte die Taksim-Plattform, eine der führenden Initiativen, die Fortsetzung des Kampfes an, bis die Regierung auf ihre Forderungen eingehe. Die Aktivisten verlangen unter anderem den Erhalt des Gezi-Parks in Istanbul, der einem Einkaufszentrum weichen soll. Ferner müsse der Einsatz von Pfeffersprach und Tränengas verboten werden.

In der Nacht zum Mittwoch hatte die türkische Polizei in Istanbul wieder Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt. Zehntausende hatten sich auf dem zentralen Taksim-Platz friedlich versammelt, um gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu protestieren. Als eine Gruppe in den Stadtteil Besiktas zum Büro Erdogans ziehen wollte, kam es zu straßenschlachtartigen Szenen. Auch aus der Hauptstadt Ankara und anderen Städten melden die türkischen Medien und Korrespondenten teils gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht.

Auslöser der seit Tagen andauernden Zusammenstöße war die am Freitag erfolgte gewaltsame Auflösung von Kundgebungen gegen große Bauvorhaben auf dem Gelände des beliebten Gezi-Parks am Taksim-Platz. Bei den anschließenden Protesten kamen bislang zwei junge Männer ums Leben. Laut Menschenrechtsorganisationen und Ärzteverbänden wurden mehr als 1700 Menschen verletzt. Nach Angaben des Innenministeriums hat der Konflikt inzwischen auf 77 der 81 Provinzen übergegriffen.

Vize-Regierungschef Bülent Arinc neben türkischer Fahne (Foto: AFP/Getty Images)
Vize-Premier Arinc entschuldigte sich öffentlich bei den DemonstrantenBild: AFP/Getty Images

Versuch der Deeskalation

Am Dienstag hatte sich die Regierung in Ankara überraschend auf die Protestierenden zubewegt und ihr Bedauern bekundet. "Ich entschuldige mich bei denen, die Opfer von Gewalt geworden sind, weil sie sich für die Umwelt einsetzen", sagte Vize-Regierungschef Bülent Arinç. Man respektiere die "unterschiedlichen Lebensstile" aller Bürger, betonte Arinç nach einem Treffen mit Präsident Abdullah Gül. Die Einsätze der Sicherheitskräfte seien "aus dem Ruder gelaufen". An die "verantwortlichen" Kräfte erging aber der Appell, den Widerstand zu beenden.

Vor allem aus Solidarität gegen die Polizeigewalt hat der Gewerkschaftsbund KESK die Beschäftigten im Staatsdienst zu Streiks aufgerufen. Die Mitglieder sollen damit gegen den "Faschismus" der Erdogan-Regierung und der Regierungspartei AKP demonstrieren und eine demokratische Türkei erkämpfen. Lokale Medien schätzen, dass sich möglicherweise Hunderttausende dem Widerstand anschließen könnten.

Die "moderne" Türkei

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht in der Protestwelle in der Türkei eine Bewährungsprobe für Erdogan. "Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die türkische Regierung beweisen kann und muss, dass sie es mit der Modernisierung der Türkei ernst meint",
sagte Westerwelle in Berlin. Eine erfolgreiche und moderne Türkei solle sich "auch durch das gelebte Bekenntnis zu Pluralismus und Bürgerrechten beweisen" und nicht nur durch wirtschaftliche Dynamik glänzen.

SC/wa (afpe, AP, dpa)