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Wie viel Gleichheit braucht die EU?

Katrin Hoffmann14. August 2006

Die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in Europa sind groß. Die EU will das ändern. Aber zu welchem Preis?

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Bild: bilderbox

Begonnen hat der europäische Einigungsprozess auf wirtschaftlicher Ebene - mit der Vertragsunterzeichnung für die Gemeinschaft für Kohle und Stahl - das war vor 55 Jahren. Auch heute ist die Wirtschaft ein wichtiger Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses, sagt Stefanie Wahl, Geschäftsführerin des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn: "Wenn wir das europäische Wirtschaftsmodell mit anderen Wirtschaftsregionen wie den USA oder Asien vergleichen, dann zeigt sich, dass Europa, neben der wirtschaftlichen Dynamik, ein relativ großes Gewicht auf den sozialen Ausgleich legt. Es wird also versucht, zwei Ziele zu verwirklichen."

Ende letzten Jahres verabschiedete die Europäische Kommission einen Finanzplan für die Jahre 2007 bis 2013. Dieser Plan sieht vor, die Position Europas auf dem Weltmarkt zu stärken und gleichzeitig den Wohlstand der EU-Länder zu mehren. Außerdem soll ein sozialer Ausgleich innerhalb der EU geschaffen werden. Um diesen Ausgleich zu erreichen, erhalten die ärmeren Länder aus dem EU-Strukturfonds Fördermittel. Damit können Straßenbauprojekte, Forschung und die Gesundheitspolitik finanziert werden. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 sollen insgesamt 360 Milliarden Euro in die ärmeren EU-Regionen fließen. Um den Wirtschaftsstandort Europa zu stärken, gebe es zwei mögliche Ansätze, erklärt Professor Erik Theißen für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bonn. "Zum einen den Ansatz, dass man alles harmonisiert und regelt und zum anderen, dass man es dem Wettbewerb überlässt, welches Land welche Regulierung und welche Steuersätze und ähnliches einführt."

Regulieren oder konkurrieren?

Von diesen zwei Ansätzen hat sich die EU für den ersten entschieden: Das europäische Wirtschaftsmodell ist stark reguliert. Das heißt, dass die Politik gezielt in wirtschaftliche Abläufe eingreift, um diese zu steuern. Besonders deutlich wird dies bei der europäischen Subventionspolitik. Hier fördert die EU Wirtschaftszweige, die ohne Geld von außen eingehen würden. Die EU setzt die Priorität ihrer Subventionspolitik zur Zeit bei der Förderung der Landwirtschaft. Fast 50 Prozent des gesamten EU-Haushalts fließen in die Agrarsubventionen. Und das, obwohl die Landwirtschaftspolitik von vielen Experten und Politikern als rückwärtsgewandt, teuer und entwicklungspolitisch sogar als äußerst gefährlich angesehen wird.

Weizen mit Kühen, Landwirtschaft, Argrarpolitik
Der Landwirtschaftssektor wird künstlich hochgehaltenBild: AP

"Wir halten den Landwirtschaftssektor künstlich hoch, wir schleusen die Preise herunter, und machen damit den Entwicklungsländer Konkurrenz, die eigentlich nicht gerechtfertigt ist", bemängelt Manfred Neumann vom Institut für internationale Wirtschaftspolitik der Universität Bonn. Ähnlich sieht es mit Subventionen für den Kohlebergbau und die Fischerei aus. Besonders Großbritannien ist die Subventionspolitik ein Dorn im Auge. Deswegen handelte Premierministerin Margaret Thatcher 1984 - mit den klaren Worten "I want my money back!" - einen speziellen Britenrabatt aus. Die Briten zahlen seitdem deutlich weniger als andere Staaten in den Agrarfonds ein. Hintergrund: Großbritanniens Agrarsektor ist wesentlich

unbedeutender als etwa der von Frankreich. Deswegen profitiere das Königreich auch weniger von den Subventionstöpfen, so die Argumentation der Briten. Wegen Beschwerden anderer EU-Länder soll der Britenrabatt bis 2013 aber deutlich verringert werden.

Regulierung contra Flexibilität

Neben der Subventionierung greift die EU mit der Setzung einheitlicher Europäischer Standards in den Wirtschaftskreislauf ein. Diese gelten sowohl für den Produktionsvorgang als auch für die Produkte selbst. Die Standardisierung ist wichtig, um gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen zu schaffen, erläutert Stefanie Wahl vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft: "Ich denke, Regulierungen müssen sein, sie dürfen aber nicht auf Kosten der Flexibilität und Reaktionsmöglichkeiten gehen. Die müssen vielmehr schneller werden, denn der internationale Wettbewerb hat sich verschärft und stellt an Europa einfach höhere Anforderungen." Man sei ja auch erst am Anfang der globalen Wirtschaft und die werde uns noch schwer zu schaffen machen.

"Klein ist schön", urteilt auch Manfred Neumann von der Universität Bonn. Aber die Standardisierung müsse ihre Grenzen haben. Man solle die Europäische Union als Verband führen, in dem man kooperativ miteinander umgehe. Aber man solle nicht alles gleich machen und genügend Freiheit an der Basis lassen. "Warum sollten die Deutschen genauso leben wie die Sizilianer? Wir sollten nicht überall versuchen hinein zu regieren. Denn die Bürokraten in Brüssel wissen es nicht besser als die Unternehmer oder die Arbeitnehmer vor Ort", glaubt Neumann.

In Forschung und Entwicklung investieren

Langfristig, da sind sich die Experten einig, wird Europas wirtschaftliches Gewicht in der Welt als Produktionsstandort abnehmen, erklärt Stefanie Wahl: "Deswegen müssen wir alles daran setzen unsere Wissens- und Könnensvorsprünge zu halten. Das wird uns wohl sicher nicht ganz gelingen aber wir müssen mehr in Forschung und Entwicklung investieren, denn das ist der Bereich in dem wir gut sein können." Europa sei ein rohstoffarmer Kontinent, so Wahl weiter. Humankapital sei der wichtigste Rohstoff, in dessen Förderung mehr investiert werden müsse.

Damit Europa gegenüber dem asiatischen und nordamerikanischen Wirtschaftsraum konkurrenzfähig bleibt, fordert der neue EU-Ratspräsident Matti Vanhanen, mehr in den Bereichen Forschung und Entwicklung zu investieren. Dazu würde EU-Kommissions-Präsident Jose Manuel Barroso gern ein europäisches Elite-Institut für Forschung und Entwicklung schaffen.