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Wie jüdische Künstler Antisemitismus erleben

Gero Schließ
21. Dezember 2017

Die antisemitischen Sprechchöre am Brandenburger Tor Anfang Dezember beschäftigen auch die jüdischen Künstler in Berlin. Die DW hat mit drei von ihnen über Antisemitismus, Kunst und Politik gesprochen.

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Yury Kharchenko Luther und die Avantgarde
Antisemitismus liege in Deutschland generell in der Luft, sagt der Maler Yury KharchenkoBild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

Yury Kharchenko wohnt seit acht Jahren in Berlin. Er habe sein ganzes Leben lang Antisemitismus erfahren, sagt der in Russland geborene Maler im Gespräch mit der DW. Das Verbrennen von Flaggen mit dem David-Stern und die antisemitischen Hass-Rufe durch mehrheitlich arabische Demonstranten hätten ihn erschrocken. "Das, was vor dem Brandenburger Tor passierte, habe ich schon als Hardcore empfunden", sagt er. Auch deswegen, weil es in zeitlicher Nachbarschaft zum traditionellen Chanukka-Fest passierte. Kharchenko lässt keinen Zweifel daran, dass er bei allen Vorbehalten gegenüber US-Präsident Donald Trump hinter dessen Entscheidung steht, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlagern, die der Auslöser für Demonstrationen nicht nur in Berlin waren.

Im Spannungsfeld zwischen Israel und Palästina 

Porträt des Berliner Malers Olaf Kühnemann
In Berlin könnten Isarelis und Araber neu zueinanderfinden, so die Vision des Malers Olaf KühnemannBild: Boaz Arad

Anders der Berliner Maler Olaf Kühnemann, der sich selbst als "100 Prozent Israeli" bezeichnet, ohne sich allerdings mit der nationalen oder religiösen Identität Israels zu identifizieren, geschweige denn mit der gegenwärtigen Regierung. "Ich verstehe die Leute, die gegen die Entscheidung für Jerusalem demonstriert haben. Das ist eine zynische Entscheidung, die nicht die komplexe Situation Jerusalems und seine Bedeutung für viele Religionen und Kulturen berücksichtigt", kritisiert er. Die vom israelischen Premierminister Netanjahu begrüßte Entscheidung von US-Präsident Trump habe für ihn nichts zu tun mit dem Wohlergehen der Leute in Israel und Palästina.

Zynisch findet Kühnemann aber auch, wenn Demonstranten die Flagge mit dem Davidstern verbrennen oder antisemitische Hass-Tiraden anstimmen, allein um zu provozieren. Allerdings schränkt er ein: "Wenn Leute die Flagge verbrennen, haben sie vielleicht auch ganz persönliche Gründe aus ihrer eigenen Lebensgeschichte." Für ihn stellen die Kundgebungen keine neue Dimension von Antisemitismus in Deutschland dar.

Der junge Fotograf Benjamin Reich stammt aus einer ultra-orthdoxen Familie in Israel. Er ist sich noch nicht sicher, wie er die Demonstrationen vor dem Brandenburger Tor einordnen soll: "Ich habe das Thema Antisemitismus bisher nicht zusammengebracht mit Palästinensern und dem arabischen Volk. Das hat sich vielleicht geändert", so Reich gegenüber der Deutschen Welle. Auf jeden Fall sei es fragwürdig, den Begriff Antisemitismus in diesem Zusammenhang zu verwenden: "Denn Palästinenser sind selbst auch Semiten", sagt er und erinnert daran, dass Juden wie Palästinenser eine semitische Sprache sprechen und daher aus historischer Perspektive beides semitische Völker seien.

Proträtfoto von Benjamin Reich
Brachte Antisemitismus bisher nur mit Neonazis in Zusammenhang: Der Berliner Fotograf Benjamin ReichBild: Benjamin Reich

"Ihr seid hier nur Gäste"

Für Yury Kharchenko (das Artikelbild ganz oben zeigt eines seiner Bilder) ist hingegen klar, dass es sich bei der Kundgebung am Brandenburger Tor unzweideutig um Antisemitismus handelt. Er wendet sich dagegen, von importiertem Antisemitismus zu sprechen. Zwar habe sich dieser durch die großen Flüchtlingszahlen aus arabischen Ländern noch verstärkt, doch liege Antisemitismus "in Deutschland generell in der Luft", so Kharchenko.

Ausstellung Luther und die Avantgarde- Yury Kharchenko
Das Bild von Yury Kharchenko wurde im Rahmen der Ausstellung "Luther und die Avantgarde" im ehemaligen Wittenberger Gefängnis gezeigtBild: Yury Kharchenko

Der Maler hat damit seine Erfahrungen. Als Student der Düsseldorfer Kunstakademie sei er von seinem Professor mit antisemitischen Sprüchen gedemütigt worden. Einer habe gelautet: "Das ist ein russischer Jud´, aber komischerweise ist er gut." Außerdem sei er in Düsseldorf von Neonazis zusammengeschlagen worden, so Kharchenko. In Berlin habe er dergleichen noch nicht erlebt, doch auch hier gebe es immer wieder antisemitische Übergriffe, so der Maler, zuletzt der eines Passanten auf einen jüdischen Restaurantbesitzer im Stadtteil Schöneberg. "Ihr seid hier nur Gäste" und "Geh zurück nach Palästina", sagte der Passant nach Medienberichten. Kharchenko lässt so etwas nicht ruhen.

Auch für Benjamin Reich hat sich die "Frage des Antisemitismus" immer wieder gestellt, seit er 2009 nach Berlin gezogen ist. Ihn mache es aber betroffen, "dass jetzt von einem neuen Level des Antisemitismus die Rede ist. Das ist nicht das, was wir bisher von den Neonazis kennen." 

Aus Sicht von Olaf Kühnemann hat die Migration durch Araber den Antisemitismus in Berlin und Deutschland nicht weiter verstärkt. "Migration ist großartig und ich denke, alle sind willkommen", sagt er und hat auch gleich eine Vision: Israelis und Moslems hätten in Berlin die Chance, das Zusammenleben neu zu erproben.

Wie sicher ist Deutschland?

Kühnemann lebt im Berliner Stadtteil Kreuzberg, nicht weit vom Kottbusser Tor, umgeben von türkischen und arabischen Nachbarn. Seit acht Jahren hätten er und seine Familie keine einzige antisemitische Bemerkung gehört, sagt er.

Während sich Yury Kharchenko nur in Teilen Berlins sicher fühlt und jene Bezirke meidet, in den Türken und Araber leben, fühlt sich Kühnemann überall in Berlin sicher. Überhaupt glaubt er nicht daran, dass Juden in Deutschland nun stärker in Gefahr seien: "Deutschland ist ein sicherer Platz, vor allem wenn man es mit Israel vergleicht", so der Maler, der viele Jahre in Israel gelebt hat.

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