Westerwelle besänftigt seine Kritiker
6. Januar 2011Die Kulisse in Stuttgart war beeindruckend. Dort, wo sonst Schauspieler und Opernsänger auf der Bühne stehen, kämpfte er wortgewaltig und gestenreich um eine bessere Zukunft für die Freien Demokraten - aber auch und besonders für sich ganz persönlich. Weit länger als eine Stunde redete Guido Westerwelle und brachte dabei das Kunststück fertig, mit keinem einzigen Satz auf die heftige Kritik an seiner Person einzugehen. Offenbar erfüllte der in den eigenen Reihen heftig umstrittene Parteivorsitzende und in der Bevölkerung höchst unbeliebte deutsche Außenminister damit aber die Erwartungen der rund 1000 Zuhörer im Stuttgarter Staatstheater. Stehend applaudierten sie dem viel Gescholtenen - und das fast drei Minuten lang.
Die Sehnsucht nach Ruhe und einem Ende der Personal-Debatte scheint groß zu sein in der FDP. Seit Wochen stecken die Liberalen im Umfrage-Tief und müssen damit rechnen, bei den sieben Landtagwahlen im Jahr 2011 an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern.
Westerwelle kommentierte die schlechten Aussichten mit dem Satz, Demoskopie sei nicht der Maßstab für die Politik seiner Partei. Wer ein Land führen wolle, müsse auch bereit sein, Durststrecken zu ertragen. Zukunft brauche Entschlossenheit und Mut - und die Liberalen hätten den Mut, das als richtig Erkannte zu tun, auch wenn man dafür nicht jeden Tag Schulterklopfen erhalte, rief der FDP-Chef in den Theater-Saal hinein.
Stolz auf Deutschland
Die Koalition aus Konservativen und Liberalen habe einen Kurswechsel eingeleitet, sagte Westerwelle. Man könne sagen, dass reiche noch nicht - oder man sage, der Anfang sei gemacht, empfahl er den Kritikern und sprach von einer erfolgreichen Bilanz nach gut einem Jahr schwarz-gelber Regierung. Als Beispiele nannte er unter anderem die mit drei Millionen vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit trotz Wirtschafts- und Finanzkrise und den Sitz im UN-Sicherheitsrat, den Deutschland mit Zwei-Drittel-Mehrheit in einer Kampf-Abstimmung erhalten hat.
Dennoch sei Kritik wichtig, sagte Westerwelle, und die Deutschen sollten auch selbstkritisch sein. Aber ab und zu dürfe man auch mal innehalten, gerade zu Beginn eines Jahres, und sagen: "Wir können stolz sein auf unser Land. Wir können stolz darauf sein, was Leistungsbereitschaft, Freiheit und Anpacken in Deutschland alles bewirkt haben - im Land und auch international im Ansehen unseres Landes weltweit."
Generalsekretär spricht von "Bewährungsprobe"
Unmittelbar vor Westerwelle hatte FDP-Generalsekretär Christian Lindner gesprochen, den viele innerhalb und außerhalb der Partei für den künftigen Partei-Vorsitzenden halten. Ohne Beispiele oder Personen zu nennen, mahnte Lindner, Kritik müsse ernst genommen und Fehler müssten eingestanden werden. Die Liberalen stünden vor einer Bewährungsprobe. Daraus sei die FDP immer dann gestärkt hervorgegangen, wenn sie sich ihrer Prinzipien vergewissert habe, betonte Lindner.
Wichtig sei vor allen Dingen, den Bürgern zuzuhören, "was sie konkret von uns, von der liberalen Partei erwarten", sagte der Generalsekretär. Nötig seien ehrliche Offenheit für Anregungen und Kritik der Bürger, Klarheit in den Prioritäten und Konsequenz bei der Umsetzung der Vorhaben in der Koalition, zählte Lindner auf. Das sei der Weg zu neuem Vertrauen.
Zum politischen Hauptgegner erklärten die Liberalen auf ihrem Dreikönigstreffen die Grünen. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg Ende März dürfen sie laut Umfragen auf ein hohes zweistelliges Ergebnis hoffen. Für die dort seit Mitte der 1990er-Jahre an der Seite der Union regierende FDP hingegen geht es ums politische Überleben.
Das gilt besonders für Landeschefin Birgit Homburger, die zugleich Vorsitzende der Bundestagsfraktion in Berlin ist. Den Grünen warf Homburger vor, gegen alles zu sein und bezog sich dabei auch auf das umstrittene, Milliarden teure Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21", das Homburger klar befürwortet: "Stillstand bedeutet Rückschritt. Wir Liberale kämpfen für die Zukunft, wir kämpfen um die Chancen in diesem Land. Wir wollen nicht, dass Deutschland zum Museum wird."
"Linke Mehrheiten verhindern"
Dass weder die FDP noch er selbst museumsreif seien, versuchte Westerwelle zum Abschluss seiner Rede zum Ausdruck zu bringen. Die Liberalen würden kämpfen, er werde kämpfen, kündigte der gerade 49 Jahre alt gewordene Partei-Vorsitzende an. Deutschland habe mehr verdient als linke Mehrheiten. "Ohne die FDP gibt es linke Mehrheiten, mit der FDP kann man das verhindern", prophezeite Westerwelle.
Guido Westerwelle wird mit dem Verlauf des Dreikönigstreffens zufrieden sein. Niemand forderte ihn zum Rückzug vom Partei-Vorsitz auf. Eine Wahl-Niederlage in Baden-Württemberg allerdings dürfte die Kritiker wieder auf den Plan rufen. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg, die bereits im Februar stattfindet, haben die Liberalen wenig zu verlieren. Dort sind sie nämlich gar nicht erst im Parlament vertreten.
Autor: Marcel Fürstenau, zurzeit in Stuttgart
Redaktion: Kay-Alexander Scholz