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FDP-Chef Westerwelle in Bedrängnis

6. Januar 2011

Noch nie ist die Zustimmung zu einem deutschen Außenminister und seiner Partei bei den Bürgern in so kurzer Zeit so rapide gesunken wie bei Guido Westerwelle und der FDP. Der Niedergang hat viele Gründe.

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Porträt Westerwelle: Er muss sich eine Lösung für das Umfrageproblem der FDP überlegen (Foto: dpa)
Er muss sich eine Lösung für das Umfrageproblem der FDP überlegenBild: picture alliance/dpa

Das große Vorbild von Guido Westerwelle war Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der die außenpolitischen Geschicke Deutschlands von 1974 bis 1992 leitete. Genscher, mitverantwortlich für den erfolgreichen Prozess der deutschen Wiedervereinigung, war hoch geachtet in der Welt und galt in Deutschland als der beliebteste Politiker überhaupt. So sucht Guido Westerwelle, als er 1980 mit gerade einmal 19 Jahren in die liberale FDP eintritt, stets die Nähe zu dem großen Staatsmann und gilt schnell als dessen Zögling. Westerwelles Aufstieg vollzieht sich entsprechend rasant.

Hans-Dietrich Genscher mit Kopfhörern (Archivfoto: Rosalia Romaniec)
Westerwelles Vorbild: der frühere Außenminister und FDP-Politiker Hans-Dietrich GenscherBild: DW

Er ist Mitbegründer der FDP-Nachwuchsorganisation "Junge Liberale", sitzt 1988 bereits im Bundesvorstand der Partei, wird 1994 Generalsekretär, 2001 Bundesvorsitzender und 2002 sogar Kanzlerkandidat der FDP. Und 2009, nach dem bisher größten Wahlerfolg der FDP, schließlich Bundesaußenminister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel. Seinen Ehrgeiz hatte Westerwelle schon als Schüler bewiesen, als er das Gymnasium zunächst mangels entsprechender schulischer Leistungen verlassen muss und sich dennoch wieder zurückkämpft, Rechtswissenschaften studiert und auch noch promoviert. Immer wieder will Westerwelle siegen und beißt entsprechend kämpferisch politische Gegner, sogar in der eigenen Partei, weg. So haben ihn rund 30 Jahre lang die Deutschen erlebt. Und genau hier beginnt Westerwelles Problem.

Der Niedergang

"Um erfolgreich an der Spitze zu bleiben, muss es einem Politiker gelingen, sympathisch zu wirken, Führungsqualitäten zu beweisen, mit Sachkompetenz zu überzeugen, und vor allem glaubwürdig zu sein. Auf vielen dieser Felder hapert es bei Guido Westerwelle", fasst Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer, Professor an der Freien Universität Berlin, das Dilemma zusammen.

"Guido Westerwelle polarisiert viel zu sehr. Was er als Parteivorsitzender der FDP innenpolitisch natürlich tun muss. Was einem Bundesaußenminister aber schadet, weil von ihm eher ein dezentes und ruhiges Auftreten erwartet wird", sagt Professor Niedermayer und belegt dies gleich mit einem typischen Beispiel.

Im Ton vergriffen

Als das Bundesverfassungsgericht 2010 fordert, die Arbeitslosenunterstützung in Deutschland neu zu ordnen, spricht Westerwelle von "spätrömischer Dekadenz". Er will damit das Ausufern des Sozialstaates kritisieren. Die Bürger empfinden seine Äußerung als Beleidigung für alle, die auf eine ausreichende finanzielle Hilfe angewiesen sind.

Guido Westerwelle ist den meisten Bürgern auch immer noch als politischer Heißsporn in Erinnerung. Im Wahlkampf 2002 lässt er sich das vermessene Wahlziel "18 Prozent" auf die Schuhsohle drucken, tritt in der umstrittenen TV-Show "Big-Brother" auf und tourt mit einem Wohnmobil durch Deutschland, das er "Guidomobil" nennt. Westerwelle als Vertreter einer Spaßpartei. Statt 18 Prozent gelingt ihm jedoch die Steigerung des Wahlergebnisses von zuvor 6,2 Prozent auf immerhin 7,4 Prozent.

Erfolgreich, aber unbeliebt

"Solche Erfolge lassen ihn auch immer wieder überleben, obwohl er selbst in seiner eigenen Partei nicht wirklich geliebt wird", sagt Politikwissenschaftler Jan Treibel von der Universität Duisburg-Essen. Nach seiner Einschätzung habe der nächste fatale Fehler darin bestanden, die Partei immer weiter auf die Person Guido Westerwelle zuzuschneiden. "Man hat damit alles auf eine Karte gesetzt", sagt Treibel. "Westerwelle wird damit so stark als Innenpolitiker wahrgenommen, dass man ihn als Außenminister kaum registriert. In diesem Amt zu punkten, wäre aber hilfreich für mehr Akzeptanz", erklärt Treibel.

Guido Westerwelle spricht am Sonntag, 25. April 2010, während des Bundesparteitages in Köln (Archivfoto: ap)
Westerwelle erhielt beim letzten FDP-Parteitag eine Zustimmung von 95,8 Prozent der DelegiertenBild: apn

Fehlentscheidungen und Fehlverhalten

Unter Führung von Guido Westerwelle konzentriert die FDP sich auf ein großes Wahlziel. Sie verspricht im Wahlkampf 2009, die Steuern zu senken, sie mindestens einfacher zu gestalten. Das sensationelle Wahlergebnis von historisch einmaligen 14,6 Prozent für eine Partei, die sonst bei Wahlen zwischen sechs und neun Prozent lag, scheint der Konzentration auf dieses Wahlziel recht zu geben. "Eine fatale Fehleinschätzung", findet Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. "In Wirklichkeit haben viele Protest- und Wechselwähler die FDP unterstützt, um die konservative Kanzlerin Merkel zu halten", erklärt Niedermayer.

Nachdem bis heute niedrigere und einfachere Steuern in der Koalition aus CDU und FDP ausgeblieben sind, flüchten eben jene Wechselwähler in Scharen von der FDP. Westerwelle hielt dennoch lange Zeit an seinen Steuersenkungsversprechen fest, obwohl Umfragen längst bestätigteten, dass zwei Drittel der Bevölkerung diese Steuersenkungen angesichts der Staatsschulden gar nicht wollten.

Verlorene Glaubwürdigkeit

Die Einseitigkeit des Parteiprogramms fällt erst recht auf, als zu den großen Themen "Integration in Deutschland" und "Eurokrise" von Westerwelle und der FDP entscheidende Äußerungen ausbleiben.

"Da ist viel an Glaubwürdigkeit verloren gegangen, und das schadet vor allem dem, der diese Politik vertreten hat", urteilen die Niedermayer und Treibel unisono. Fatal habe sich zudem ausgewirkt, dass es für die Allgemeinheit keine deutlichen Steuervorteile gegeben habe, aber auf Betreiben der FDP die Mehrwertsteuer für Hoteliers von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde. Der Vorwurf einer eiskalten Klientelpolitik wird nochmals laut, als verdiente Parteispendensammler der FDP auf eine Dienstreise von Außenminister Westerwelle mitgenommen werden. Die Mitreisenden zahlen die Reise zwar selbst, aber es bleibt der Verdacht einer "Belohnung" und der Ämtervermischung.

Zweifel an Führungsfähigkeiten

In einer Rede vor den Vereinten Nationen korrigiert Westerwelle einen fatalen Versprecher nicht und fordert einen britischen Journalisten auf einer deutschen Pressekonferenz auf, seine Frage in Deutsch zu stellen, man sei schließlich in Deutschland. Solche Ereignisse haben an Westerwelles Führungsqualitäten zweifeln lassen, und lassen den fast 50-jährigen Politiker auch wenig sympathisch erscheinen, resümieren Niedermayer und Treibel.

Ihr Fazit: Es wird schwer für Westerwelle, auf Dauer alle seine Ämter zu retten. Aber die FDP hat niemanden, der ein ebenbürtiger Gegenkandidat zu Westerwelle sein könnte. Immerhin erhielt Westerwelle auf dem letzten Parteitag 2009 für das Amt des Parteivorsitzenden 95,8 Prozent Zustimmung. Nur damals ahnte niemand die derzeit schlechten Umfragewerte der Partei.

Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Klaudia Prevezanos