Kinderarbeit in Benin
26. Oktober 2012Es ist Mittwochmorgen in Djougou, einer Stadt, im Nord-Westen von Benin. Zwanzig Mädchen und Jungen sitzen in einem kleinen Raum und beäugen einander neugierig. Es ist wieder einmal Vorstellungsrunde in der Organisation PIED (Programme d'Insertion des Enfants Déshérités). Die beninische Nichtregierungsorganisation (NGO) kümmert sich um Kinder, die von ihrer Familie oder anderen zum Arbeiten gezwungen worden sind. Die meisten stammen aus Benin selbst oder aus den Nachbarländern Burkina Faso und Togo. Ein Mädchen wirkt besonders schüchtern und verunsichert: Die 14-jährige Alima Manzanbe. Sie ist am Abend zuvor von der Polizei bei der Organisation PIED abgeliefert worden.
Geld verdienen für die Schuluniform
Als Alima von der Polizei angehalten wurde, war sie unterwegs nach Cotonou, der Millionenstadt im Süden Benins. Das Mädchen stammt aber aus Togo, ihre Eltern hatten es ins Nachbarland geschickt. "Ich sollte meiner Tante auf dem Markt helfen, Saft zu verkaufen", erzählt Alima zögerlich. "So, wie letztes Jahr." In Benin darf Alima schon mit 14 Jahren arbeiten oder eine Ausbildung beginnen. Die Polizei hatte sie aber aufgegriffen, weil sie auch ihre kleinen Schwestern dabei hatte - erst 10 und 12 Jahre alt. Ihre Eltern hatten die drei beauftragt, Geld für ihre Schulsachen zu verdienen.
Salamath Boukaré arbeitet als Erzieherin für PIED und hat schon viele Kinder wie Alima kennengelernt. Kinder, die arbeiten, um ihre Eltern finanziell zu unterstützen. Ihr Kollege Moussa Amadou hat die Organisation PIED vor knapp 20 Jahren gegründet. Das Ziel: die Kinder so schnell wie möglich zu ihren Familien zurückzubringen. Denn viele seien im Ausland völlig schutzlos: "Einige kommen nach den Ferien nicht zurück, andere haben sich mit Krankheiten angesteckt oder sind sogar Opfer von körperlichem oder sexuellem Missbrauch geworden. Das muss auf jeden Fall besser kontrolliert werden." Der Staat werde seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht. Schuld seien aber vor allem die Eltern: Sie kümmerten sich zu wenig um ihre Kinder. "Wenn man sie damit konfrontiert, was ihren Kindern in der Fremde widerfahren ist, tun sie oft so, als hätten sie nichts davon gewusst", erzählt Moussa Amadou.
Auch die Regierung von Benin versucht seit längerem, Kinder- und Jugendarbeit zu bekämpfen. Vor zwölf Jahren unterschrieb das Land das Zusatzprotokoll der UN-Palermo-Konvention gegen Menschenhandel. Das Abkommen verbietet den Handel mit Kindern und deren Ausbeutung. Eigentlich eine gute Sache. Aber Erdmute Alber, von der Universität in Bayreuth, sieht den Vertrag kritisch. Die Professorin für Sozialanthropologie reist regelmäßig nach Benin und hat bei ihren Forschungen herausgefunden, dass Kinderarbeit ein komplexes Thema ist: Nicht jedes Kind sei automatisch ein Opfer, nicht alle Eltern Täter. "Jedes Kind hat eine eigene Geschichte zu erzählen, und das sind oft Geschichten, in denen sie selbst auch mitbestimmen durften, was mit ihnen passiert."
Ist ein Ferienjob schon Kinderarbeit?
Erdmute Alber hat bei ihrer Forschung einen neuen Trend festgestellt: So verlassen immer mehr Jugendliche ihre Dörfer, um in der Stadt zu arbeiten. Diese Form der Wanderarbeit werde häufig mit Kinderhandel oder sogar Sklaverei gleichgesetzt, erklärt die Soziologin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dabei hätten die Jugendlichen gute Gründe für ihren Umzug: "Das eine ist so etwas wie Abenteuerlust. Und das andere Motiv ist natürlich das Geld: Die Jugendlichen haben durch diese Arbeitsverhältnisse die Möglichkeit, selber Geld zu erwirtschaften. Geld, das sie nicht mit Verwandten teilen müssen." Für diese Freiheit würden viele Jugendliche durchaus auch miserable Arbeitsbedingungen akzeptieren.
Genau hier müsste der Staat ansetzen, findet Moussa Amadou von der NGO PIED. Er wünscht sich von den Behörden eine bessere Überwachung, welcher Jugendliche wo und für welche Dauer arbeitet. So könne sichergestellt werden, dass die Kinder und Jugendlichen unversehrt nach Hause kommen. Erste Anzeichen für ein wachsendes Problembewusstsein erkennt die Wissenschaftlerin Erdmute Alber schon: Heute würden laut Regierungsinformationen viel weniger Mädchen unter 14 Jahre als Haushälterin eingestellt als noch vor einigen Jahren. Und wer es doch tue, laufe Gefahr, von seinen Nachbarn angezeigt zu werden.