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Politik

"Weil er eine Kippa trug"

Maximiliane Koschyk
19. April 2018

Politiker und Glaubensvertreter haben mit Empörung auf Videoaufnahmen eines mutmaßlich antisemitischen Überfalls in Berlin reagiert. Es ist der jüngste in einer steigenden Zahl von Antisemitismus-Fällen.

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Kippa
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

"Einzig weil er eine Kippa trug", heißt es in der Mitteilung des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA). Die Organisation hatte im Internet ein Video veröffentlicht, auf dem ein junger Mann zu sehen ist, der mit einem Gürtel auf den Filmenden einschlägt und laut "Yahudi" (arabisch für "Jude") ruft.

Deutsche Medien wie die "Bild"-Zeitung hatten das Video weiterverbreitet, es sorgte landesweit für Entsetzen. "Er reiht sich ein in eine Kette", sagt Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Berlin, über den Vorfall. "Bereits vor drei Jahren habe ich davor gewarnt, mit einer Kippa in arabisch geprägte, großstädtische Viertel zu gehen." Mit dem Überfall in dem bürgerlichen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg habe der Antisemitismus in Deutschland aber eine neue Dimension erreicht.

Screenshot Youtube Antisemitischer Angriff in Berlin
Screenshot des Videos mit der mutmaßlichen Antisemitismus-AttackeBild: Jüdisches Forum JFDA

Schuster hofft, dass die Tatsache, dass der Angriff gefilmt wurde, der Polizei helfen wird, die Täter zu finden. Der Staatsschutz ermittelt gegen insgesamt drei Beschuldigte wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung.

JFDA: "Es muss etwas getan werden"

Die Zahl der antisemitischen Übergriffe ist in jüngster Zeit rasant gestiegen. Allein 950 Fälle wurden in Berlin im vergangenen Jahr gemeldet. Zwar führen deutsche Behörden einen Großteil der Angriffe auf rechtsradikale Gruppen zurück, aber jüdische Organisationen haben auch vermehrt vor antisemitischen Tendenzen in der muslimischen Bevölkerung gewarnt.

Die zwei arabischstämmigen Männer, ein Deutscher und ein Israeli, im Alter von 21 und 24 Jahren, waren die Straße entlang gelaufen, als sie von drei Männern beleidigt worden, bestätigte die Polizei. Eines der beiden Opfer, Adam, möchte seinen Nachnamen nicht nennen. Er erzählte der Deutschen Welle später, er und sein Freund hätten die Kippas als Geschenk von einem Freund aus Israel bekommen und deshalb getragen.

Adam: Die Leute sind einfach weitergegangen.

Opfer: Es war ein Experiment

"Es war das erste Mal, dass ich die Kippa hier trug", sagte der junge Israeli, der in dem DW-Interview erklärt, dass er nicht jüdischen Glaubens ist. Sie seien gewarnt worden, die Kippa nicht öffentlich zu tragen, aber er habe beweisen wollen, dass es unproblematisch sei. Seinen Angaben zufolge hätten sie sich ruhig verhalten, seien aber direkt von den drei Männern beschimpft worden. Die Situation eskalierte, als sein deutscher Begleiter die Männer bat, damit aufzuhören. "Sie wurden wütend und liefen auf mich zu", sagte der junge Mann. Ein Angreifer begann, mit dem Gürtel zu schlagen. Eine Passantin ging dazwischen, die beiden Männer wurden nicht verletzt.

Bundesregierung stellt sich entschlossen gegen Antisemitismus

Der Vorfall hätte zu keinem kritischeren Zeitpunkt passieren können: Auch in Berlin finden in diesen Tagen Feierlichkeiten zum siebzigsten Jahrestag der Staatsgründung Israels statt. Entsprechend entschlossen reagierte die deutsche Politik auf die Meldung. "Dieser Kampf gegen solche antisemitischen Ausschreitungen muss gewonnen werden", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bundesjustizministerin Katarina Barley bezeichnete den Übergriff als "Schande" für Deutschland.

"Juden dürfen sich bei uns nie wieder bedroht fühlen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. "Wir tragen Verantwortung dafür, uns schützend vor jüdisches Leben zu stellen." Jüdische Organisationen wie das JFDA fordern genau das: Wir brauchen keine Sonntagsreden mehr, sondern es muss gehandelt werden", sagt Levi Salomon, Sprecher des JFDA in Berlin. "Nun sind Politik und Zivilgesellschaft gefragt."

Berliner Abgeordneter: "Unerträglich und beschämend"

"Die Bilder sind für unsere Stadt Berlin unerträglich und beschämend", sagt Raed Saleh, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, der Deutschen Welle. Saleh wurde selbst im Westjordanland geboren, in Berlin widmet er sich der Verständigung zwischen Juden und Muslimen. Ähnlich sieht es der Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek: "Es macht mich wütend, wenn ich solch hasserfüllte Gewalt sehe", schreibt Mazyek auf Twitter. "Antisemitismus darf keinen Millimeter Platz bei uns haben."

Deutschland Felix Klein, Sonderbeauftragte des Auswaertigen Amtes fuer die Beziehungen zu juedischen Organisationen,
Der Diplomat Felix Klein wurde vor kurzem zum Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung berufenBild: imago/photothek/I. Kjer

"Ich war schockiert zu hören, dass so etwas hier passieren kann", sagt eine Anwohnerin des Helmholtzplatzes der Deutschen Welle. Die Sonne scheint, vor den Bio-Supermärkten, Weinläden und Cafes tummeln sich junge Familien mit Kinderwägen. Dass ausgerechnet im als bürgerlich-gentrifiziert geltenden Prenzlauer Berg so ein Angriff auf offener Straße passierte, entsetzt die Berliner - und ganz Deutschland.

Antisemitismus-Beauftragter Klein will Schulen fördern

"Das Problem betrifft alle", sagte Felix Klein, der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, im Interview mit der Deutschen Welle. Man müsse mit der vollen Macht der Justiz gegen die Übergriffe vorgehen, aber gleichzeitig die Ursachen bekämpfen. "Wir müssen bei der Bildung anfangen", sagte Klein, der nach den jüngsten Angriffen auf eine jüdische Schülerin in das neu geschaffene Amt berufen wurde. In den Schulen müsse ein Klima geschaffen werden, dass deutlich mache, dass solche Vorfälle nicht nur die Betroffenen, sondern die gesamte Gesellschaft beträfen.

Auch wenn die beiden jungen Männer ohne schwere Verletzungen davongekommen sind, scheint die Brisanz des Videos in Deutschland ein neues Bewusstsein geschaffen zu haben. Einer der beiden Angegriffenen rannte den Tätern nach. Im Hintergrund des Videos hört man eine Stimme den Angreifern nachrufen: "Jude oder nicht Jude, du musst damit klar kommen."

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