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Was passiert bei der Untersuchung nach einer Vergewaltigung?

25. November 2022

Frauen können Spuren einer Vergewaltigung auch ohne Anzeige sichern lassen. Fragebogen, Fotos, DNA-Proben: So funktioniert die – einfühlsame – Beweisaufnahme in einer Ambulanz für Opfer sexueller Gewalt.

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Eine Ärztin hält die Hand einer Patientin
Ein einfühlsamer Umgang steht bei den Ärztinnen und Ärzten, die in Ambulanzen für Opfer sexueller Gewalt tätig sind, im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Bild: Westend61/IMAGO

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die "am weitesten verbreitete Art der Menschenrechtsverletzung auf der Welt", heißt in einem Artikel der Vereinten Nationen (UN) über den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Mehr als eine von drei Frauen wird laut UN-Angaben im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt.

Weniger als 40 Prozent der Frauen, die Gewalt erfahren, suchen sich laut der UN Hilfe. Bei sexualisierter Gewalt beispielsweise ist die Anzahl der Opfer, die die Tat für sich behalten, hoch. "Die meisten Fälle passieren im persönlichen Umfeld des Opfers", sagt Knut Albrecht, Leiter des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin. "Vielleicht war der Täter der Ehemann, der Lebensgefährte, der Onkel. Die Frauen wollen den häuslichen Frieden wahren. Die Tat ist schambehaftet. Es gibt 1001 Gründe, warum [ein sexueller Übergriff] nicht angezeigt wird."

Für Frauen, die einen Übergriff wie eine Vergewaltigung nicht bei der Polizei anzeigen möchten oder können, gibt es aber noch eine andere Möglichkeit: Sie können die Spuren in einer vertraulichen Untersuchung sichern lassen. Im ostdeutschen Brandenburg leitet Albrecht das Modellprojekt "Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach Vergewaltigung".

Die Untersuchung wird so vorgenommen, dass die Spuren vor Gericht zugelassen wären, sollte sich die Frau zu einem späteren Zeitpunkt für eine Anzeige entscheiden.

Vertrauliche Spurensicherung

Was passiert bei der Untersuchung?

Verletzungen jeglicher Art werden dokumentiert. Es gibt einen Fragebogen, den die Ärztin gemeinsam mit der Frau, die nach einer Vergewaltigung in die Ambulanz gekommen ist, ausfüllt. Neben Fotos möglicher Verletzungen kommt auch die Unterwäsche, die die Frau trug, in die Kiste mit Beweismitteln. Diese Kiste wird von der Ambulanz später zur Aufbewahrung an die Rechtsmedizin geschickt.

Um DNA-Proben des Täters zu sichern, werden Abstriche vorgenommen. "Wenn es in der Scheide, anal oder im Mund der Frau zu einer Ejakulation gekommen ist, finden sich Spermien, die dort nicht hingehören", erklärt Albrecht. "Anhand dieses Spermienfundes kann dann eine DNA-Analyse vorgenommen werden."

Abstriche werden erst genommen, nachdem die Frau erzählt hat, was vorgefallen ist, und dann nur dort, wo es wirklich nötig ist. "Wenn es zu Oralverkehr kam, wird kein Abstrich im Genitalbereich genommen, wenn es zu einer Ejakulation auf den Bauch kam, wird der Abstrich von dort genommen", sagt Albrecht.

Sollte es zu keiner Ejakulation gekommen sein, aber ein Penis in die Scheide des Opfers eingedrungen ist, dann wird trotzdem ein Abstrich vorgenommen, in der Hoffnung so Fremd-DNA von der Haut des Penis zu finden. Das sei allerdings wesentlich schwerer als mit Spermaspuren, erklärt Albrecht. Wenn das Opfer den Täter gekratzt hat, werden außerdem ihre Fingernägel auf DNA-Spuren untersucht. 

Warum eine Untersuchung auch ohne sofortige Anzeige wichtig ist

Die Spuren möglichst bald nach einer Vergewaltigung zu sichern ist wichtig, weil Beweise wie DNA von körpereigenen Prozessen schnell abgebaut werden. Ein weiterer Grund: "Wenn es bei sexueller Gewalt mit Penetration zu Verletzungen in der Scheide gekommen ist, können die bei einer Untersuchung festgestellt werden", sagt Frauenärztin Laia aus Berlin, die nur bei ihrem Vornamen genannt werden möchte, um die Privatsphäre ihrer Patientinnen zu schützen. "Nach ein paar Tagen oder Wochen geht das nicht mehr, weil die Schleimhäute schnell heilen."

Rückenansicht einer Frau, die nach draußen schaut
Viele Frauen empfinden Scham, nachdem sie sexuelle Gewalt erlebt haben. Eine ärztliche Untersuchung ist aber wichtig - und auch ohne Involvierung der Polizei möglich.Bild: Ute Grabowsky/photothek/picture alliance

Aktuell werden die Beweise einer vertraulichen Untersuchung in Brandenburg zehn Jahre lang aufbewahrt. Beweise wie Unterwäsche werden so verpackt, dass sie im Originalzustand erhalten bleiben. Das DNA-Material aus den entnommenen Proben wird so getrocknet, dass es problemlos zehn Jahre lang hält und bei Bedarf auch dann noch vor Gericht brauchbar wäre.

Körperliche Grenzen der Frau werden akzeptiert

Eine gynäkologische Untersuchung sei sowieso ein sensibler Moment, und das gelte verstärkt, wenn die Frau zuvor sexuelle Gewalt erfahren habe, sagt Laia. Sie selbst arbeitet nicht in einer Ambulanz, in der sich Vergewaltigungsopfer melden, sondern in einer regulären gynäkologischen Praxis. Auch dort achte sie auf einen einfühlsamen und respektvollen Umgang, so die Frauenärztin.

"Es geht nicht darum, die Frau auf den Stuhl zu setzen und zu sagen 'So wird das jetzt gemacht', sondern den Patientinnen die Möglichkeit zu geben, nein zu sagen, und ihre körperlichen Grenzen zu akzeptieren", sagt Laia.

Auch Albrecht sagt: Bei der Untersuchung nach einer Vergewaltigung stehe die Frau im Zentrum. "Die Untersuchung wird von geschulten Kräften vorgenommen, die sehr einfühlsam vorgehen", so der Leiter des Modellprojekts in Brandenburg. "Wenn die Frau bei einem bestimmten Abstrich verkrampft, dann geht der eben nicht, dann wird es nicht gemacht."

Körperliche und mentale Nachsorge 

Vier bis sechs Wochen nach der Vergewaltigung sollte die Frau ihren Gynäkologen oder ihre Gynäkologin aufsuchen, um einen Schwangerschaftstest und einen Test auf verschiedene Infektionskrankheiten vornehmen zu lassen.

Auch bei der "Medizinischen Soforthilfe und vertraulichen Spurensicherung nach Vergewaltigung" in Brandenburg ist die Spurensicherung in der Klinik nur der erste Schritt. Danach werden die Frauen auch in ihrem mentalen Umgang mit der sexuellen Gewalt, die sie erfahren haben, unterstützt. Eine weiterführende psychologische Beratung ist Teil des Projekts.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker