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Was Kamala Harris für die Wirtschaft bedeuten würde

23. Juli 2024

Mit dem Ausscheiden von Joe Biden aus dem Präsidentschaftswahlkampf kehrt bei den Demokraten ein Gefühl der Hoffnung zurück. Die Unternehmen hingegen sind unsicher, was sie von einer Harris-Regierung halten sollen.

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USA Las Vegas | US-Vizepräsidentin | Kamala Harris
Kamala Harris muss die US-Wähler davon überzeugen, dass sie eine Vision für die Wirtschaft des Landes hatBild: Ronda Churchill/AP Photo/picture alliance

Noch vor einer Woche sah es so aus, als sei die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus nach den Wahlen im November so gut wie sicher. Doch seit US-Präsident Joe Biden am Sonntag bekannt gab, nicht zur Wiederwahl anzutreten und stattdessen die 59-jährige Vizepräsidentin Kamala Harris zu unterstützen, ist das Rennen wieder spannend.

Harris könnte neuen Schwung in den Wahlkampf bringen und beim Parteitag der Demokraten im August in Chicago zur offiziellen Kandidatin gekürt werden. Nach Bidens Rückzug konnte sie bereits einen enormen Anstieg der Wahlkampfspenden verzeichnen: mehr als 81 Millionen Dollar (umgerechnet rund 74 Millionen Euro) allein in den ersten 24 Stunden.

Neben Wählern, Spendern und Politikern verfolgen auch Wirtschaftsvertreter gespannt die Entwicklungen und fragen sich, was eine Präsidentin Harris für ihr Geschäft bedeuten könnte. Unsicherheit ist etwas, das Unternehmen nicht mögen. Bidens Rückzug hat die Unsicherheit zum Teil, aber nicht völlig beseitigt.

'America First' und die Demokraten

Sicher ist nach Bidens Entscheidung zumindest, dass die USA im kommenden Jahr von einem anderen Menschen regiert werden. Wie sich allerdings die Wirtschaftspolitik einer Präsidentin Harris von der Bidens unterscheiden würde, ist schwerer auszumachen.

"Harris ist tendenziell progressiver als Biden, aber ich glaube nicht, dass sie sich in Wirtschaftsfragen sehr unterscheiden würde", sagt Dan Mallinson, Professor für Politik und Verwaltung an der Pennsylvania State University in Harrisburg. "Beide sind arbeitnehmerfreundlich. Beide befürworten die Ausweitung der Elternzeit. Beide unterstützen Maßnahmen wie (die Krankenversicherungen - Anm. d. Red.) Medicaid, Medicare und die Sozialversicherung."

Für Unternehmer und Manager geht es im Moment weniger um die Frage, wofür Kamala Harris und die Demokraten stehen - schließlich ist ein starkes Abweichen vom Kurs der vergangenen Jahre unwahrscheinlich. Viel mehr interessiert sie die Frage, welche Politik Trumps durch einen Sieg von Harris verhindert würde.

Eines von Trumps größten Zielen ist die Erneuerung seiner "America First"-Agenda. Dazu gehören - neben der Stärkung der Außengrenzen und der Beschränkung der Migration - auch Zollerhöhungen von zehn Prozent auf sämtliche Waren, die in die USA eingeführt werden. Für Importe aus China hat Trump sogar einen Zoll von 60 Prozent angekündigt.

Rede von Trump beim Republikaner-Parteitag

Biden hat nach seinem Amtsantritt 2021 viele der von seinem Vorgänger Trump eingeführten Zölle beibehalten und sogar weitere Handelshemmnisse hinzugefügt. Diese Zölle sind jedoch auf bestimmte Branchen beschränkt.

Die von Trump geplante pauschale Zollerhöhung auf sämtliche Waren aus allen Ländern würde dagegen den Wettbewerb einschränken und die Preise für US-Bürger in die Höhe treiben. Die Folge wären eine anhaltende Inflation und weiterhin hohe Zinsen.

Diese Aussicht - und die Angst vor einem globalen Handelsstreit - hat so manche Firmenleitung darüber nachdenken lassen, wie sie ihre Geschäfte führen sollen, wenn Trump die Wahl gewinnt und seine Pläne umsetzt. Diese Firmen - und auch die in China - werden jetzt erst einmal aufatmen. Wenn Harris wie erwartet zur Präsidentschaftskandidatin nominiert wird, dürfte das den Demokraten neuen Auftrieb geben.

Aktien, Dollars, Kryptowährungen

Einige US-Branchen werden von den besseren Siegeschancen der Demokraten allerdings wenig begeistert sein. Dazu gehören die traditionelle Autoindustrie, der Energiesektor und die Kryptowährungen. Sie haben einen festen Platz im offiziellen Wahlprogramm der Republikaner und erhofften sich durch Trump einen Schub für ihre Geschäfte.

Das Wahlprogramm verspricht die Deregulierung der fossilen Brennstoffindustrie und erklärte, die Republikaner würden "das ungesetzliche und unamerikanische Vorgehen der Demokraten gegen Kryptowährungen beenden und sich der Schaffung einer digitalen Zentralbankwährung widersetzen".

An den Börsen werden politische Szenarien und die Wahrscheinlichkeit höherer Renditen nun wohl neu durchgerechnet. Produzenten von erneuerbaren Energien und Hersteller von Elektrofahrzeugen hoffen wohl auf den Sieg von Harris.

Größere politische Veränderungen sind jedoch noch Monate entfernt und derzeit nur Theorie. Die europäischen Aktienmärkte schlossen am Tag nach Bidens Rückzug leicht im Plus, ebenso wie die Börsen an der Wall Street.

Wie würde eine Harris-Wirtschaft aussehen?

Kamala Harris hat sich bisher nur wenig zur Wirtschaft und ihrer ökonomischen Agenda geäußert. Aus ihrer Zeit als kalifornische Staatsanwältin, Generalstaatsanwältin, Senatorin und US-Vizepräsidentin kann man jedoch einige Hinweise ableiten.

USA Wahlkampf Demokraten Vizepräsidentin Kamala Harris und Joe Biden
Wahrscheinlich wird Harris die wirtschaftspolitische Linie Bidens weiterverfolgen, muss aber auch eigene Akzente setzenBild: Matt Kelley/AP Photo/picture alliance

Als Generalstaatsanwältin ging sie hart gegen Ölfirmen und Banken vor. Als Vizepräsidentin unterstützte sie Bidens Konjunkturprogramme,. Dazu gehören der Ausbau grüner Energien, den nach der Corona-Pandemie aufgelegten "American Rescue Plan" und den "Inflation Reduction Act". Sie unterstützte auch den "CHIPS and Science Act", der Milliarden für die Halbleiter-Herstellung im eigenen Land vorsieht.

Harris hat sich - wie zuvor Biden - gegen pauschale Zölle ausgesprochen, lehnt aber Sonderzölle gegen China nicht grundsätzlich ab.

Kamala Harris wird sich beeilen müssen, um den amerikanischen Wählern ihre wirtschaftlichen Visionen zu vermitteln. Hat sie neue Ideen oder wird sie in Bezug auf die Wirtschaft ein Biden 2.0 sein?

"Eine der Herausforderungen für Harris wird es sein, ihren eigenen Platz zu finden und gleichzeitig zu verteidigen, was die Biden-Harris-Regierung getan hat. Das gilt auch für die Wirtschaft", so Mallinson zur DW.

Wenn sie genügend Wähler davon überzeugen kann, dass sie die Inflation senken und Arbeitsplätze schaffen kann, ohne die Weltwirtschaft auf den Kopf zu stellen, hat sie vielleicht eine Chance, die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Timothy Rooks, Deutsche Welle
Timothy Rooks ist Reporter und Redakteur in Berlin.